Spielball des Schicksals

Zu welchen Anteilen bestimmen wir unser Leben? Diese Frage ist leicht gestellt, aber nicht so leicht zu beantworten. Wenn wir ihr nachspüren, berührt sie die Grundfesten unseres Selbst- und Weltbildes und kann so manch Überraschendes zutage fördern.

kanuIm Silvesterworkshop gab ich die Einladung, einen Platz im Raum zu finden, der dem subjektiven Empfinden entspricht: inwieweit ist das, was in meinem Leben geschieht, meine eigene Kreation, oder inwieweit fühle ich mich als Spielball des Schicksals, als Mitwirkender an einem göttlichen Plan oder gar als Opfer dessen, was andere mit mir anstellen? Vielleicht magst du diese kleine Übung selbst für dich ausprobieren?

Und wenn du sie anwendest – oder auch nicht – ist dies deiner eigenen Entscheidung, meiner Einflussnahme durch diesen Newsletter oder einer von uns beiden unabhängigen Fügung zu verdanken? Oder ist diese Frage für dich gar vollkommen bedeutungslos?

Als Seminarleiter stellt sich die Frage meiner Einflussmöglichkeiten noch mal besonders. Manche Teilnehmerin oder Teilnehmer wird wünschen oder erwarten, dass mein Einfluss groß sein möge, damit ein Kurs oder ein Training ihr Geld wert sind und „etwas bringt“. Was aber, wenn du dann nach Hause gehst mit der Überzeugung, das Seminar habe zwar etwas gebracht, aber du zu Hause bringst es nicht? Du kannst natürlich gleich das nächste Seminar buchen, aber das wird auf lange Sicht teuer und wohl nicht wirklich befriedigend, wenn nicht irgendwann etwas anderes geschieht: dass du dir dessen gewahr wirst, wie du selbst die Weichen in deinem Leben stellst – oder bewusst darauf verzichtest.

himmelManche Ratgeber behaupten oder suggerieren, wir seien zu hundert Prozent die Urheber unserer eigenen Erfahrung und es sei wünschenswert, dass wir das endlich realisieren. Dann könnte das ganze Leben vollständig nach unseren Wünschen ablaufen. Das klingt erst mal verlockend. Wenn wir dem aber weiter nachgehen, stoßen wir auf die heimliche – oder auch unheimliche – Frage: haben in meinem Leben noch Menschen Platz, die sich etwas anderes wünschen als ich? Oder kreiere ich mir im besten Fall ein Leben, in dem alle das wollen, was ich will? Und ist dies dann Ausdruck meiner Freiheit, oder wird das möglicherweise zu dem perfidesten Gefängnis, in dem ich jemals landen könnte? Wer befreit mich von der Engstirnigkeit oder den Begrenzungen meiner eigenen Wünsche? Wer kann mich noch überraschen? Was, wenn das, was ich mir wünsche, nicht das ist, was ich brauche oder was mich wirklich begeistert und beglückt?

skulpturDas Thema ist komplex, paradox und, wie ich finde, höchst faszinierend. Wie finden wir eine Balance zwischen unserem Bedürfnis nach Autonomie und unseres eigenen Glückes Schmied zu sein einerseits und auf der anderen Seite danach, nicht für alles selbst sorgen zu müssen und uns auch einfach mal dem hinzugeben, was ist? Auch wenn es nicht das ist, was wir uns gewählt hätten. In Liebesbeziehungen begegnen wir diesen Fragen unausweichlich – bewusst oder unbewusst. Wie weit haben wir Einfluss auf unsere Partnerschaft und inwieweit möchten wir loslassen und uns anvertrauen? Und wie entsteht die Magie des Augenblicks, in der beides zusammen fällt? Wahrscheinlich kennen wir alle die Sehnsucht, in einer erfüllenden Beziehung sowohl tief verbunden als auch frei zu sein. Wie wäre es, wenn wir aus dieser Sehnsucht heraus nicht nur unsere nahen Beziehungen, sondern unser ganzes Leben erforschen und gestalten?

Weil mich diese Fragen so faszinieren, habe ich ein neues Training entworfen, das Ich-Du-Wir Training. In diesem Training geht es darum, wie wir zwischen den drei Polen Ich, Du und Wir hin und her pendeln, wie wir innerhalb dieses Dreiecks navigieren und wie wir gemeinsam eine Erfahrung erschaffen, die wir dann wieder individuell unterschiedlich erleben und interpretieren. Die Idee und das Konzept dieses Trainings wird es mit sich bringen, dass der gemeinsame Prozess eine neue Form von Leitung hervorbringt. Ich bin nicht – noch weniger als in anderen Kursen – derjenige, der bestimmt, wo es lang geht, sondern ich stelle meine Präsenz und Kompetenz in den Dienst aller drei Pole: Ich – Du – Wir.

Ich finde, die Zeit ist reif, ein neues Verständnis von Führung zu entwickeln, jenseits alter, nicht mehr zeitgemäßer Autoritäten, die uns sagen, wo es lang geht, und auch jenseits pseudodemokratischer Entscheidungsprozesse, bei denen im Dunkeln bleibt, wo und wie die Weichen für unser Leben tatsächlich gestellt werden.  Was für unsere Kultur und Zivilisation gilt, gilt auch für unser inneres Erleben. Wie können wir von dem zwanghaften Wahn loslassen, unser Leben kontrollieren zu müssen? Wie können wir aber auch die Resignation überwinden, am Ende doch nichts zu bewirken? Wir können wir statt dessen sowohl unseren wirklichen Einflussmöglichkeiten als auch unserer Hingabe mit ganzem Herzen zustimmen?

Aus ähnlichen Gründen haben wir in der aktuellen Ausbildungsgruppe gemeinsam entschieden, ein großes Zusammen-Sein Festival ins Leben zu rufen. Auch hier gibt es die Möglichkeit, dich aktiv einzubringen, als auch einfach da zu sein und dich durch die vielfältigen Möglichkeiten treiben zu lassen.

Ich freue mich über jede und jeden, der oder die mit auf Entdeckungsreise geht, sei es nun im Rahmen des neuen Trainings, beim Festival im September, in einem Kurs oder wo immer sich unsere Wege kreuzen. Und wenn sie das nicht tun sollten, wünsche ich dir, mir und uns allen auf jeden Fall schon mal ein Leben voller erfüllender und überraschender Magie.

Herzliche Grüße

Saleem

Über Saleem Matthias Riek

Saleem Matthias Riek ist Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualtherapie, Tantralehrer, Diplom-Sozialpädagoge und lebt bei Freiburg im Breisgau. Saleem ist Autor mehrerer Bücher rund um Lust und Liebe, Tantra und Spiritualität. Bisher erschienen sind "Herzenslust" (auch als Hörbuch), "Leben, Lieben und Nicht Wissen", "Herzensfeuer", "Lustvoll Mann sein" und "Mysterien des Lebens". Weitere Bücher sind in Vorbereitung, u.a. eine Romantrilogie.
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