Ich habe mal ein bisschen nachgedacht. Es ist ja immer die Rede von den immensen Schulden, die wir haben. Auf der Website des Bundes der Steuerzahler kann man beobachten, wie die deutschen Staatsschulden um 4439 € pro Sekunde steigen auf heute morgen 1.581.105.280.275 €. Beim Sinnieren kam ich auf die Idee, also wenn ich Schulden habe, dann muss ja jemand anderes ein genau gleich großes Guthaben besitzen, nämlich der, beim dem ich die Schulden habe. Wenn es den nicht gibt, nun dann brauche ich sie ja auch nicht zurück zahlen, bin also schuldenfrei. Und dann, so dachte ich, ist es doch interessant, dass meistens nur von den Schulden die Rede ist, aber viel weniger von den riesigen Guthaben. Ja, ja, von den Reichen und Superreichen ist schon die Rede, auch von den gierigen Managern, die auch noch die Steuer bescheißen. Aber die Billionen, wer besitzt die eigentlich? Dann kam es mir. Es sind die „Investoren“! Klingt doch schon viel sympathischer als „superreich“, oder? Sie werden ja hofiert wie Wohltäter. Sie halten sich meist ziemlich geschickt bedeckt, muss man sagen. Sie treten als Gesellschaft auf oder als Unternehmen, auch als Staatsfond aus Nah- oder Fernost. Ja, die Investoren, die müssen wir freundlich behandeln, sonst investieren sie nämlich woanders. Kapital ist scheu wie ein Reh, heißt es.
Ist uns eigentlich kar, dass diese „Investoren“ inzwischen ein vielfaches der Macht besitzen im Vergleich zu den Regierungen, die wir alle Jahre wieder wählen oder auch nicht wählen? Dass wir nach ihrer Pfeife tanzen? Dass wir uns an sie verkauft haben?
Ist das unser aller „Schuld“? Haben wir unsere Seele verkauft?
Auf der Habenseite steht den Schulden Eigentum gegenüber, grundgesetzlich geschützt. Die vielleicht heiligste Kuh in unserer Kultur. Daran wollen wir in aller Regel lieber nicht dran rühren. Am Ende verliert Oma ihr klein Häuschen oder wir verlieren unser letztes Hemd…
Johann Wolfgang von Goethe befand bereits: „Niemand ist hoffnungsloser versklavt als der, der fälschlich glaubt frei zu sein.“
Wie kann es sein, dass Menschen ein vielfaches mehr besitzen, als sie selbst jemals brauchen könnten, und damit ohne jede demokratische Kontrolle unsere Geschicke bestimmen und sogar Regierungen erpressen können, ganz legal. Es kann so sein, weil wir uns noch nicht einmal eingestehen, dass es so ist.
Hier noch ein deftiges Zitat zu diesem Thema: „In der Nacht des 4. August 1789 haben die Abgeordneten der Nationalversammlung das Feudalsystem in Frankreich abgeschafft. Heute müssen wir mit ansehen, wie die Welt von neuem feudalisiert wird. Die despotischen Herrscher sind wieder da. Die neuen kapitalistischen Feudalsysteme besitzen nunmehr eine Macht, die kein Kaiser, kein König, kein Papst vor ihnen je besessen hat.“ (Jean Ziegler, UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung)
Ich hoffe, ich hinterlasse bei Ihnen ein wenig Ratlosigkeit angesichts der Dimension dieses Themas. Denn wer hier ein schnellen Rat weiß, der hat es, so behaupte ich mal ganz dreist, noch nicht begriffen. Oder was meinen Sie?
Herzlich ratlos und frohen Mutes
Saleem Matthias Riek