Grenzgebiete – zum Unterschied zwischen Flirt und sexueller Belästigung

Die ursprüngliche Absicht der #metoo-Kampagne, sexualisierte Gewalt, sexuellen Missbrauch und sexuelle Belästigung in ihrem Ausmaß sichtbar werden zu lassen, wird weithin begrüßt, auch von mir.

Doch in manchen Punkten scheiden sich die Geister. Einer davon: Ist ein Flirtversuch stets eindeutig von sexistischer Anmache zu unterscheiden? Hier die beiden konträren Standpunkte:

  • Ja. Der Unterschied ist klar, Flirt dient dem erotischen Kontakt, Belästigung der Machtdemonstration oder Demütigung. Wer das nicht versteht, ist entweder ein Idiot oder insgeheim daran interessiert, weiter unbehelligt Frauen gegen deren Willen belästigen zu dürfen.
  • Nein. Die die Unterscheidung zwischen Flirtversuch und Belästigung ist nicht immer leicht. Wenn ein Flirtversuch nicht auf Gegenliebe stößt, macht das diesen nicht unbedingt zu einem Vergehen. Zur sexuellen Freiheit gehört das Risiko, dass Annäherungsversuche als Belästigung empfunden werden können.

Anstatt abstrakte Argumente auszutauschen, möchte ich hier mehr Licht ins Dickicht potentiell zwielichtiger Situationen bringen. Welcher Mann oder welche Frau hat schon mal einen Flirtversuch gestartet, nach dem er oder sie sich später gefragt hat: War das okay oder bin ich zu weit gegangen? Habe ich ihn oder sie bedrängt? Wer hat Situationen erlebt, die später von den Beteiligten unterschiedlich bewertet wurden? Wer hat sich schon durch missverständliche Signale in die Irre geführt gefühlt oder wessen Signale wurden missverstanden?

Ich möchte dazu anregen, von Erfahrungen im Grenzgebiet von mutigem Flirt und respektloser Belästigung zu berichten, die unterschiedlich interpretiert werden können. Hier einige Beispiele:

  • Eine Berührung, für die kein vorheriges Einverständnis eingeholt wurde
  • Erotische Anspielungen in unerotischem Kontext (z.B. am Arbeitsplatz)
  • Überraschende Komplimente
  • Ein Nein hinterfragen („Warum …?“)
  • Nach einem Nein weitere Versuche unternehmen
  • Jemanden länger anschauen
  • Ohne Absprache körperliche Nähe suchen, z.B. beim Tanzen
  • Unverblümt nach der Bereitschaft zu sexuellem Kontakt fragen
  • Nach einer Abfuhr Missstimmung zum Ausdruck bringen

Die Beispiele sind nicht abschließend gemeint, sondern mögen deine Erinnerungen wecken.

Konkrete Erfahrungsberichte können helfen, aus der ideologischen Polarisierung der Debatte herauszufinden und stattdessen Unsicherheiten, Zwischentönen und offenen Fragen Raum zu geben.
Sie können damit auch zu einer besseren Verständigung zwischen den Geschlechtern beitragen.

Du kannst deine Erfahrung mit dem Thema gerne gleich hier unten als Kommentar hinterlassen (gerne auch anonym) oder mir per E-Mail schreiben.

In Zusammenarbeit mit Eilert Bartels führe ich auch eine Online-Umfrage zur obigen Fragestellung durch. Die Teilnahme dauert nur 5 Minuten und ich freue mich, wenn du mitmachst.

Herzliche Grüße

Saleem Matthias Riek

 

Über Saleem Matthias Riek

Saleem Matthias Riek ist Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualtherapie, Tantralehrer, Diplom-Sozialpädagoge und lebt bei Freiburg im Breisgau. Saleem ist Autor mehrerer Bücher rund um Lust und Liebe, Tantra und Spiritualität. Bisher erschienen sind "Herzenslust" (auch als Hörbuch), "Leben, Lieben und Nicht Wissen", "Herzensfeuer", "Lustvoll Mann sein" und "Mysterien des Lebens". Weitere Bücher sind in Vorbereitung, u.a. eine Romantrilogie.
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