Menschliche Bindung: So bedeutsam wie unverstanden
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Bindung, vor allem darüber, wie wir diese bewusst steuern können. Wenn ich mit anderen darüber ins
Gespräch komme, ernte ich oft zunächst Stirnrunzeln, dann zunehmendes Interesse sowie Neugier und dann nicht selten Begeisterung. Denn das Thema ist ebenso relevant für unser Liebesleben, wie es in unserer Kultur in seinem Wesen unverstanden, ja sogar unerforscht ist. Das klingt erstaunlich, denn manche denken, wir redeten schon viel zu viel über Beziehungen.
Ja, vielleicht gerade deswegen …
Verliebt, verlobt, verheiratet, so lautete noch in meinen Kindertagen das klar vorgegebene Konzept für ein erwachsenes Liebesleben. Doch inzwischen wissen wir: So einfach ist es leider – oder zum Glück? – nicht. Hier drei Facetten unserer neuen Liebesunordnung, die uns durchaus mal ins Straucheln bringen können.
- Wir wiederholen in unseren Liebesbeziehungen – weitgehend unbewusst und unfreiwillig – die Bindungsmuster unserer Kindheit, und zwar auch dann, wenn diese höchst unbefriedigend waren.
- Es gibt heute ein so breites Spektrum von Sehnsüchten, Ideen, Konzepten und Ideologien (monogam, ohne Verbindlichkeit, polyamor usw.) in Bezug auf die Art und Weise, wie wir nahe Beziehungen leben, dass es gar nicht selbstverständlich ist, dass die Person, mit der wir zusammen, auf die wir scharf sind oder in die wir uns verlieben, unser Konzept und/oder unsere Sehnsucht teilt. Das kann bereichernd sein, indem wir unsere Konzepte überprüfen lernen, kann aber auch viel Liebeskummer mit sich bringen.
- Die Art und Weise, wie menschliche Bindung entsteht, ist weitestgehend unbewusst und wird daher als schicksalhaft erlebt. Wir können uns nicht bewusst verlieben, heißt es. Doch anstatt zumindest Einfluss darauf nehmen zu wollen, ergeben sich die meisten Menschen ihrem Schicksal und nehmen es als gegeben hin, dass erotische und emotionale Bindung nicht steuerbar seien.
Doch meine These lautet: Dies liegt vor allem daran, dass dieses Thema nicht nur individuell, sondern auch kollektiv im Schatten, im Unbewussten, in einer Art Black-Box verborgen darauf wartet, endlich entdeckt zu werden.
Was ist Bindung?
Was meine ich überhaupt, wenn ich von Bindung spreche? Ist sie das gleiche wie eine Beziehung? Nein, Bindung geht weit über das hinaus, was wir als Beziehung bezeichnen, und bildet zugleich deren Fundament. Bindung ist auch nicht das gleiche wie Verbundenheit, denn diese ist potenziell rein situativ und zugleich universell, Bindung jedoch korrespondert mit raum-zeitlicher Kontinuität.
Stell dir vor, du tanzt mit einem anderen Menschen einen Tanz. Du fühlst dich nah und verbunden, aber als der Tanz vorbei ist, ist er vorbei. Du fühlst dich nicht weiter an die Person gebunden. Es kann aber auch sein, dass dich die Erfahrung nicht loslässt, sondern dich weiter beschäftigt. Du möchtest vielleicht weiteren Kontakt, oder genau das auf keinen Fall: Dann hat eine gewisse Bindung stattgefunden (möglicherweise einseitig oder als „Negativ-Bindung“, wenn wir jemand unbedingt meiden müssen).
Bindung ist an sich weder gut noch schlecht, sie ist ein individuell unterschiedlich ausgeprägtes Bedürfnis. Wie wir sie bewerten, hängt von unserem jeweiligen Standpunkt ab. Das Phänomen als solches bekommt jedoch selten die Aufmerksamkeit, die es ermöglichen würde, mehr Einfluss darauf zu nehmen.
Die Übungen zum Thema Bindung in den letzten Jahrestrainings bestätigen die Vermutung: Wenn wir genauer hinschauen, werden wir fündig, wir stoßen sogar auf Goldadern der Bewusstseinsentwicklung. Allerdings finden wir zunächst: Nebel. Irritation. Alte Resignation. Fehlendes Vertrauen in unsere Selbststeuerung … alles Symptome einer Verdrängung. Aber dann tauchen schon bald die ersten Aha’s und Oho’s auf.
Ich habe viele Jahre lang geglaubt, dass der Fokus auf Lust und Liebe, auf Sex und Herz und deren Differenzierung für meine Arbeit weitgehend ausreicht, gepaart mit wachsender Bewusstheit. Nun stelle ich mehr und mehr fest, dass die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Lust und Liebe gar nicht bei diesen beiden Themen selbst liegen, sondern beim Thema Bindung.
Es geht hier nicht nur um die bereits angeführten „Wiederholungszwänge“, also die Suche nach Papa und/oder Mama in unserem Partner oder unserer Partnerin. Darüber hinaus haben wir nicht gelernt (oder sind gar nicht erst auf die Idee gekommen), in einer liebevollen, erotischen oder sexuellen Begegnung bewusst die Entstehung, das Ausmaß und die Qualität der inneren Bindung wahrzunehmen oder gar zu beeinflussen. Evtl. versuchen wir, zu viel Bindung zu vermeiden, indem wir unseren Sex oder unser Herz verschließen. Schade eigentlich. Vielleicht können wir uns auch unsere Bindungskonzepte und -wünsche gegenseitig eingestehen. Aber was dann wirklich geschieht, ist doch oft eine Überraschung, oder? Schicksal eben. Kein Wunder, dass viele Menschen höllische Angst davor haben, ihr Partner oder sie selbst könnten sich anderweitig verlieben. Denn dann hat das Schicksal gesprochen und wir können uns höchstens in unsere Ohnmacht ihm gegenüber fügen.
Allgemeine Sprachverwirrung rund um Sex, Herz und Bindung
Ich habe für das Buch, das ich zu diesem Thema zu schreiben begonnen habe, auch mit einer Literaturrecherche begonnen und siehe da: Auch in der Wissenschaft bleibt die Frage nach der Steuerbarkeit erwachsener menschlicher Bindung weitgehend unerforscht. Nein, das ist eine krasse Untertreibung. Nicht einmal die Frage danach wird gestellt.
Wie wir kindliche Bindungsmuster in erwachsenen Beziehungen wiederholen, ist gut erforscht. Doch was, wenn wir den Wiederholungszwang hinter uns gelassen haben? Manche spirituellen Zeitgenossen halten Bindungslosigkeit („ohne Anhaftung“ heißt das dann) für ein Zeichen menschlicher Reife. An dieser These habe ich doch erhebliche Zweifel.
Doch was bedeutet und wie entsteht menschliche Bindung im Erwachsenenalter, wenn die Muster aus unserer Kindheit nicht mehr am Steuer sitzen? Und wie können wir Einfluss darauf nehmen? Mit dieser Frage öffnen sich ungeahnte Räume, unser Liebesleben weit bewusster gestalten zu können, als sich das mancher träumen lässt.
Wie gesagt, die Wissenschaft stellt noch nicht einmal diese Frage. Stattdessen geht die Begrifflichkeit rund um Liebe, Eros und Beziehung dort genauso wie in der Alltagsprache wie Kraut und Rüben durcheinander.
Sie stöhnt: “Was machst du mit mir?” Er: “Ich liebe dich.” Sie haucht zurück: “Ich dich auch …” Nach einiger Zeit hakt sie nach: “Als Fühlwort oder als Tuwort?“ … Stille, dann etwas enttäuscht: „Ach so“.
Unter den Begriff der Liebe wird schnell mal die Sexualität subsummiert, gelebte Sexualität wird als Liebesleben bezeichnet, Bindung wird mit Liebe gleichgesetzt, Sex wiederum als Ausdruck von Bindung, sexuelle und emotionale Geschlechterpräferenzen (homo, hetero, bi) werden gar nicht erst differenziert und beide als sexuelle Identität bezeichnet, obwohl es sexuelle bzw. emotionale Orientierung heißen müsste.
Und last not least … gesteuert wird das alles – je nach wissenschaftlicher Vorannahme – von Hormonen, embryonal-frühkindlicher Entwicklung oder steinzeitlichen Vorfahren. Anstatt danach zu fragen, wie wir Bindung selbst steuern können, tobt ein Glaubenskrieg, welcher der Faktoren unser Verhalten nun tatsächlich bestimmt. Mit diesen Faktoren wird dann das eigene – je nach Standpunkt monogame, polyamore oder sonst welche – Beziehungskonzept untermauert. So als müssten wir alle denselben Bindungsmustern folgen, weil Gott, Oxytocin, das Neandertal oder unsere Mutter es eben so will.
Das Ausmaß und die Qualität unserer Bindung bewusst steuern?
Wie sollte man da auf die Idee kommen, dass ein erwachsener Mann oder eine erwachsene Frau sich soweit selbst kennen, fühlen und verstehen lernen kann, dass er oder sie in der Lage ist, Bindungen weitgehend bewusst einzugehen, zu gestalten und ggfs. auch wieder zu lösen? Spätestens bei der – freiwilligen oder unfreiwilligen – Lösung merken die meisten Menschen, dass aus ihren unbewusst eingegangenen Bindungen längst Verstrickungen geworden sind. Diese sind dann oft nur noch durch schmerzhafte Schnitte aufzulösen.
Das Thema ist weit komplexer, als ich es hier andeuten kann. Hast du womöglich auch die oben beschriebenen Symptome (Nebel im Kopf …) an dir bemerkt? Aber vielleicht bist du dennoch neugierig geworden und möchtest weiter forschen? Ich freue mich, von deinen Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema zu hören. Vielleicht gleich hier als Kommentar? So entsteht Bindung 😉
Herzliche Grüße
Saleem Matthias Riek
Hallo Saleem,
vielen Dank für deinen Beitrag, den ich aufmerksam und mit Freude gelesen habe. Ich glaube auch, dass Bindung ein absolutes Schlüsselthema ist. Das erlebe ich durch eigene Erfahrung und auch im Rahmen einer therapeutischen Ausbildung. Ich habe mich auch mal eine Weile mit der Bindungsforschung beschäftigt. Mich wundert ebenfalls, wie wenige das z.B. in den Sozialwissenschaften reflektiert wird. Ich glaube der Mensch ist zunächst und vor fast allem anderen ein emotionales Bindungswesen. Am Anfang eines jeden Menschenlebens steht Zuwendung und Fürsorge (so unzureichend die in vielen Fällen auch sein mag) oder der Tod. Wir bauen auch nicht nur zu anderen Lebewesen, sondern auch zu den Dingen eine emotionale Bindung auf und fühlen Trauer und Verlust, wenn diese Sachen von uns gehen.
Auch wenn ich eine gewisse Sympathie für das Konzept der Nicht-Anhaftung habe, kann es für mich nicht darauf hinauslaufen keine emotionalen Bindungen mehr zu haben. Ich finde den Ansatz, Ausmaß und Qualität der Bindung zu gestalten, super! Das heißt ja zunächst, sich das bewusst zu machen, und auch den tiefen Schmerz, der damit oft verbunden ist, ein Stück weit zuzulassen. Das beinhaltet auch die Einsicht, dass ich das zwar gestalten aber nicht kontrollieren kann, denn die Bindung des Anderen ist immer ein Stück weit unverfügbar. Gerade diese Unverfügbarkeit ist Bedingung und Voraussetzung für ein wechselseitiges Berühren und Berührtwerden. Der Soziologe Hartmut Rosa bezeichnet das als Resonanzbeziehung.
Herzlich,
Steven
Hallo Steven,
ich danke dir für deine Gedanken, die mich ermutigen, das Thema weiter intensiv zu erforschen.
Und ja, das Loslassen und auch der Schmerz und die Trauer, die damit einhergehen können, gehören auch fundamental zum Thema.
Herzliche Grüße
Saleem
Danke auch von mir, „Das beinhaltet auch die Einsicht, dass ich das zwar gestalten aber nicht kontrollieren kann, denn die Bindung des Anderen ist immer ein Stück weit unverfügbar. Gerade diese Unverfügbarkeit ist Bedingung und Voraussetzung für ein wechselseitiges Berühren und Berührtwerden.“ wunderbar, das schwingt gerade in mir nach und will erforscht werden… 😉
Lieber Saleem,
ein wunderbares Thema, das viele berührt.
Ich versuche mich jetzt seit 4,5 Jahren in einer lebendigen „Bindung“ – so bewusst, wie es mir möglich ist. Nachdem ich 44 Jahre vorher mich in diversen Beziehungen und einer Ehe mit 2 Kindern „versucht“ habe – mit etlichen Schrammen und Wunden und einem Ende.
Ich merke meine Sehnsucht nach einer dauerhaften Bindung, in der beide sein können, wie sie sind und beide sich weiterentwickeln können… ich spüre, wie wunderbar es ist, gemeinsam auch Schwieriges durchzustehen, an und mit den Herausforderungen zu wachsen….Und ich spüre bei jedem mich-tiefer-Einlassen, dass Verlustängste aufsteigen…Und Ent-Täuschung, wenn´s sich mal nicht so „verbindend“ anfühlt …Gerne mehr dazu …;-)
Liebe Ulrike,
danke für deinen Kommentar. Bindung und Freiheit (so sein können wir wir sind) sind auch für mich eine stets aktuelle Herausforderung. Liebe Grüße Saleem
Lieber Saleem, danke für deine Idee zum neuen Thema Bindung und deinen Blogbeitrag mit den Links zu den verschiedenen Artikeln, die ich mit Interesse gelesen habe.
Ich habe schon viel für mich gelernt, u.a. auch in deinen Seminaren, Artikeln, etc.
Ich bin einem Mann begegnet, der sich in mich verliebt hat und ich in ihn. Ich habe ihn wertschätzend behandelt, ihm Sexualität mit Herz geschenkt. Alles, was ich in den Tantra-Seminaren bisher gelernt habe. Er hat sich trotzdem von mir getrennt. Ich passte ihm nicht mehr, nachdem die Verliebtheitsphase vorbei war. Er sah mich mit anderen Augen. Ich wollte ihn lieben mit Licht und Schatten. Mein Herz hat noch nie in meinen Leben so viel Schmerzen ausgehalten. Nie wieder eine Beziehung, war meine erste Reaktion. Die Sexualität wollte leben, war stark geworden in dieser Zeit. Sie war wunderschön, häte sich vertiefen, wir uns näher kommen können, uns kennenlernen. Ich liebte mit Haut und Haar. Ich fand einen anderen Mann, der nicht in mich verliebt war, ich auch nicht in ihn. Er war schnell zum Sex bereit, schneller als ich, hätte sich, weil verheiratet, jedoch nie eingelassen? Keine Ahnung. Mein Herz hat nach ein paar schönen sexuellen Begegnungen den Rückzieher gemacht. Nicht noch mal so einen Schmerz. Nicht mehr weiter. Lieber keinen Sex als noch mal Herzschmerzen. Wer ist nun falsch oder gibt es überhaupt falsch oder richtig? Eine wirklich gute, lange Paarbeziehung ist Arbeit, wenn ich mit Paaren, die schon lange zusammen sind rede. Ich arbeite für mich alleine u.a. therapeutisch daran, an meiner Beziehungsfähigkeit, an meiner Sexualität, an meiner Liebesfähigkeit. Ich praktiziere Yoga. Ich besuche ein SKAN-Körpertherapie, Biodanza, zur Kuschelparty, ab und zu Tantra, gehe unter Menschen. Ich tue, was ich kann.
Was ich als Beitrag gefunden habe, ist ein Zitat von C.G.Jung:
„Deine Vision wird Klar, wenn du in dein Herz schaust. Wer nach draußen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht.“
„Denn letzendlich werden wir so oder so immer auf uns zurückgeworfen, wobei wir Liebe und Selbstsicherheit aus unserer inneren Kraftquelle beziehen müssen. Erst dann sind wir wirklich reif für dauerhafte und romantische Bezieheungen. Solange wir diese nicht begriffen haben, tritt eine Person nach der andderen an uns heran, um herauszufinden, ob wir uns für ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis eignen. Wenn sich die männlichen und weiblichen Kräfte im eignenen Inneren ausbalanciert haben, dann sind wir reif für Beziehungen und spirituelle Bedürfnisse. Nur die Kraft und die Sicherheit, die wir in uns selbst finden, läßt sich auch nach Außentragen und vermitteln. Das ist der rechte Weg, der uns auf dem Weg zur Erkenntnis führt.“
Ich gehe weiter auf meinem Weg zur Erkenntnis, vorerst alleine. Vielleicht stehe ich mal wieder vor einem Mann und sage: Du bist es und er auch. Keine Ahnung.
Mal sehen, was sich aus deinem Thema entwickelt für uns alle.
Ich wünsche dir viel Freude bei der Arbeit an deinem neuen Buch und die Erkenntnisse dabei.
Marie C.
Liebe Marie,
danke für deine ausführliche Rückmeldung. Ich kenne den Schmerz, wenn plötzlich alles aus ist.
Genau das motiviert mich, statt dem Alles oder Nichts in Partnerschaften mehr nach der wirlich für beide passenden Form von Bindung zu suchen, anstatt die berühmt-berüchtigte Frage zu stellen: Ist SIE es oder ist Sie es NICHT? Was wenig Raum für Einzigartigkeit von Beziehungen lässt. Ich bleibe dran am Thema, danke für die Ermutigung.
Herzliche Grüße
Saleem
Wie spannend!
Ein wirklich großartiger Denkanstoß, der mich gerade selbst intensiv beschäftigt.
Was bedeutet eigentlich ‚Paar – Sein‘ oder ‚Partnerschaft‘.
Wenn Du von einem ‚bewußten Eingehen‘ in Bindungen sprichst, setzt Du nach meinem Gefühl schon SEHR viel voraus.
Denn: Das Unbewußte ist eben unbewußt und es ist wirklich erstaunlich, wie wir gerade in Momenten des Kennenlernens glauben noch Zugang zu Intelligenz und Bewußtheit zu haben – auch wenn das einfach nicht der Fall ist.
Selten einer von Beiden, noch seltener beide.
Und es ist faszinierend zu erfahren was man von Freunden und Bekannten und Fremden hört, wenn man mal nachfragt welchen Stellenwert Paar-Beziehung im Leben hat und vor allem warum sie diesen Stellenwert hat.
Oft kommt es mir so vor, als sei es einfach eine Gegebenheit und Selbstverständlichkeit, dass man ’seinen‘ Partner findet. Selbst in Deinem Beitrag hier. Abgesehen von einer Archaischen / Arterhaltenden Dynamik ist es in der heutigen Zeit keine echte Notwendigkeit.
Und oft begegnet mir einfach ‚Disney – Romantik‘ als Grund für Bindung und Partnerschaft. ‚Hach‘ wenn ich nur den Einen / die Eine hätte – ganz so wie bei Pocahontas und anderen alten und modernen Märchen….
Für mich ist gerade die Bindung zu mir und die Stabilität darin, die erste Prämisse überhaupt Bindungen, in Freundschaften und dann auch Partnerschaft / Liebesbeziehung, eingehen zu können. Und wer bitteschön hat schon eine richtig gute Partnerschaft mit sich selbst? Eine Gute ‚Ver-Bindung‘ mit sich selbst. Und zwar in einer Art und Weise, die so erfüllend ist, dass das Eingehen einer Bindung mit einem anderen Menschen keine Sehnsuchtserfüllung mehr ist…..?
Irgendwie alles fast utopisch und dennoch die Herausforderung und Aufgabe unserer Entwicklung zu einem ‚reifen Menschsein‘?
Ja, sehr , sehr komplex die Thematik. Bin gespannt auf Dein Buch!
Christopher
Danke für deine inspirierenden Gedanken zum Thema, lieber Christopher!
Ob bei einer guten Verbindung mit uns selbst keine Sehnsucht mehr auftaucht, da bin ich nicht so sicher. Ich bin nicht so ein Anhänger von „jeder ist sich selbst genug“. Wir brauchen einander, allerdings vielleicht nicht mehr so konkret zum Überleben wie bei unseren Großeltern.
Vielleicht bekommt die Sehnsucht dann weniger von der „Muss ich haben“ Qualität, sondern eher eine „Ach wäre das schön, muss aber nicht“ Variante …
Es gibt so viele Spielarten von Bindung, da ist die Übermacht des romantischen Traums schon etwas erdrückend.
Wir bleiben dran … Liebe Grüße!
Saleem
Hallo Saleem und Ihr Mitinterressierten und -forschenden…
Jetzt bin ich ‚angefixt‘ vom Thema und lese mich hier wiederholt durch.
Nochmal zurück zur Definition von Bindung oder Bindungsenergie: Es ist nicht Beziehung, aber deren Grundlage? Es ist nicht Verbundenheit sondern ein ‚individuell ausgeprägtes Bedürfnis‘? Ganz schön schwammig. Da ist der erwähnte Nebel fast schon am aufziehen…. 🙂 Hm – ich versuchs mal pragmatisch: Wenn ich eine Frau kennenlerne, dann ist da erstmal ein Raster und ein Schubladensystem, das (inzwischen halbweg bewußt) durchgecheckt wird. Erst ziemlich schnell und platt – im Laufe des Kennenlernens etwas differenzierter. (Wenn es denn dazu kommt) Gegebenenfalls kommt dann ein Überraschungsmoment dazu, der mich sogar alle Schubladen und Raster vergessen lässt. Aber im ‚Normalfall‘ ist erstmal Neugierde da – ‚wer bist Du denn‘ und dann Ineresse ‚ich will mehr von Dir erfahren‘ hier auch schon differenziert nach verschiedenen Ebenen – Sex, geistiger Austausch, energetischer Austausch, Körperlichkeit, Ähnlichkeiten und Widersprüche ausloten. Kompatibilitäten klären. Ggflls. ist mein Gegenüber besonders hübsch, besonders sinnlich, besonders intelligent, humorvoll, faszinierend auf einer oder mehreren Ebenen. Oft schliesse ich daraus, dass eine Ebene besonders faszinierend / anziehend ist, es die Anderen bestimmt auch sind. (oft eine Fehleinschätzung und ich glaube ziemlich verbreitet).
Aber an welchem Punkt setzt Bindung ein? Bereits wenn ich neugierig bin? Oder erst wenn mein Rastercheck grünes Licht gibt oder ein besonderer Kick oder ein Überraschung? Und dann hängt das Ganze noch von meiner inneren Verfassung ab. Wie klar bin ich gerade in mir? Welches Bedürfnis ist gerade ungestillt?
Und wenn Bindung auch ein Bedürfnis ist….. hängt es dann einfach davon ab, wie groß das Bedürfnis nach Bindung gerade ist. Und wovon hängt das ab?
Ist ‚Verliebt sein‘ ein Bindungsindikator? Und – gibt es auch noch andere Möglichkeiten?
Grundsätzlich gefällt mir die Idee sehr gut, mit mir und meinem Umfeld (Freunde, Arbeit, Natur – Das große Ganze) so verbunden zu sein, daß eine Bindungssehnsucht oder ein Bindungsbedürfnis weniger durch etwas Unerfülltes entstehen. Sondern aus einem Raum der Fülle. Wenn denn da noch ein Bedürfnis entsteht. Vielleicht entsteht dann einfach nur ‚Etwas‘ – so wie alles Andere auch… Und vergeht auch wieder, so wie alles Andere auch. Und dann ist Bindung auch nur von Augenblick zu Augenblick da.
Sonst wirds ja Festhalten…? Oh, der Nebel… 😉
Christopher
Lieber Christopher,
schön geschrieben oder anders ausgedrückt: du schreibst mir aus der Seele. 😉
liebe Grüße,
Alexandra
Lieber Christopher,
das abchecken nach einem inneren Raster ist ganz normal und weit verbreitet, zeigt aber, dass wir zunächst mehr an unsere eigenen Bedürfnisse und Erwartungen gebunden sind als an eine andere Person.
Sofern eine andere Person unsere Erwartungen erfüllt, oder wir das zumindest auf sie projizieren, fühlen wir uns an diese Person gebunden, tatsächlich sind wir aber immer noch an unsere Erwartungen gebunden, projizieren diese jedoch nach außen. Das würde ich Bindung durch Bindungsmuster aus der Vergangenheit nennen. Und früher oder später treten Probleme auf, denn in diesem Mustern ist keine Entwicklung möglich.
Wie gesagt, soweit ganz normal. Die Frage, die ich jedoch aufwerfe ist diese: gibt es mehr als das? Bindung jenseits der Muster? Und das zeigt sich meist erst dann, wenn die Verliebtheitsphase (=Projektionsphase) dem Ende entgegen geht.
LG
Saleem
Ah, danke Saleem,
das hatte ich jetzt echt überlesen. Dennoch war auch das hilfreich.
Es geht also um Bindung jenseits von Mustern.
Hm, wer bin ich denn dann noch, wenn ich mich jenseits von Bindungsmustern bewegen kann? Mindestens ein sehr, sehr wacher Geist mit der Fähigkeit zu absoluter Selbstreflexion.
Und ich glaube dadurch noch mehr als das.
Wenn ich nicht mehr an Vorstellungen, Erwartungen, Bedürfnisse oder sonst etwas aus meiner menschlichen Erfahrungsgeschichte gebunden bin, was bleibt dann?
Eher bin ich dann wohl im transpersonalen Feld unterwegs. Und ob da noch Bindung zu einem speziellen Menschen entsteht – zumindest für mehr als den aktuellen Moment kann ich mir nicht vorstellen.
In den Momenten, in denen ich mich ‚befreit‘ wähnte, war Bindung so wie die Frage, ob ich mich als ein Tropfen im Ozean an genau einen anderen Tropfen im Ozean binden wollte.
Da war nicht mal die Frage danach.
Die Frage entstand erst wieder mit dem Verlust dieser Verbundenheit zum Ganzen.
Um jemanden zu finden mit dem ich die Sehnsucht, die Erfahrung, und den Schmerz über die Trennung von dieser Einheit teilen kann.
Und hoffentlich gemeinsam an einer stabileren Anbindung wirken kann.
Womit ich wieder in einem Bindungsmuster wäre.
Fazit: Bindung an eine Person ohne eine Form von Muster oder Bedürftigkeit (außer für diesen Moment) halte ich für eine Illusion.
Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass ich in der Anerkennung des Umstandes der Illusion der Trennung wähle, mein Leben mit jemandem zu teilen, der dies aus demselben Grund tut. Einfach so. Ohne eine Notwendigkeit und damit quasi ohne Bindung.
Die Frage nach dem Übergang zwischen ‚übergeordneter Verbundenheit‘ und Bindung ist für mich persönlich aktuell etwas an das ich mich gerade gebunden fühle… 😉
Christopher
Lieber Saleem,
vielen Dank für deine spannende Fragestellung.
Du schreibst, „Die Art und Weise, wie menschliche Bindung entsteht, ist weitestgehend unbewusst und wird daher als schicksalhaft erlebt. Wir können uns nicht bewusst verlieben, heißt es. Doch anstatt zumindest Einfluss darauf nehmen zu wollen, ergeben sich die meisten Menschen ihrem Schicksal und nehmen es als gegeben hin, daß erotische und emotionale Bindung nicht steuerbar seien.“.
Ich glaube nicht, daß menschliche Bindung unbewußt entsteht. Vielmehr verwechseln manche Menschen Gefühle und Emotionen mit Bindung, was dann zu Verwirrung und manchmal auch Trauer und Schmerz führt. Ein Verliebt-Sein führt nicht zwangsläufig zu einer Bindung. Da wird ein oder mehrere – u.U. bedürftige – Aspekte, meiner Selbst angetriggert, die mir in meiner jetztigen, akuten Situation gut tun (z.B.: ich habe endlich wieder mal guten Sex, ich habe endlich jemanden gefunden, der meine Aktivitäten teilt, ich nehme mich, durch seine Augen, als etwas besonderes wahr, ich fühle mich nicht mehr einsam, u.s.w.).
Wenn ich mich in einen Menschen verliebe – aus was für Gründen auch immer – der polyamor lebt, ich aber weiß, daß auf meiner Werteprioritätenliste, die Polyamorie nicht unbedingt ganz oben steht, dann lasse ich mich nur bedingt auf ihn ein. Sprich, er bleibt ein Affaire, ein guter Freund, was auch immer, aber sicher nicht eine sichere Bindungsperson, in Hinsicht auf eine Beziehungsform. Falls ich dies noch nie ausprobiert habe, die Verliebtheit groß ist, ich es mir vorstellen kann, er mir wichtig ist, dann teste ich es, probiere mich mit ihm aus. Alles unter der Voraussetzung natürlich, daß man darüber redet.
Bewußt verlieben können wir uns sicher nicht. Aber wir können ganz sicher bewußt eine menschliche Bindung eingehen!
Wie geschieht Bindung jenseits von Bindungsmustern?
Wenn ich mich verliebe, bin ich noch lange nicht gebunden und in dieser Zeit überprüfe ich, ob ich mit dem Anderen kompatibel bin, ob meine Werteprioritäten mit den seinen eine hinreichend große Schnittmenge bilden und wie groß die beiderseitige Kompromißbereitschaft ist.
Erst wenn ich diese Aspekte für mich positiv beantworten kann, beginne ich eine Bindung aufzubauen (in der Hoffnung, der Andere will das auch).
Bei einer sicheren Bindung will ich auf die emotionale Verfügbarkeit der Bindungsperson vertrauen können! Das ist nichts negatives. Auch nicht, wenn ich in Nicht-Monogamen Strukturen lebe. Das ist die Grundlage zu einer sicheren Bindung, zu dieser einen Person, gleichgültig, wie das „Beziehungsmodell“ aussieht. Vertrauen. Vertrauen in die andere Person, dass ich mich auf sie im Fall der Fälle verlassen kann.
Im Entstehen und Wachsen dieser Bindung entsteht die Liebe – das glaube ich jedenfalls.
Du schreibst:
Ich habe viele Jahre lang geglaubt, dass der Fokus auf Lust und Liebe, auf Sex und Herz und deren Differenzierung für meine Arbeit weitgehend ausreicht, gepaart mit wachsender Bewusstheit. Nun stelle ich mehr und mehr fest, dass die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Lust und Liebe gar nicht bei diesen beiden Themen selbst liegen, sondern beim Thema Bindung.
Dein Ansatz ist gut, aber wie du auch schon festgestellt hast, nicht ausreichend.
Lust, Liebe, Sex, Herz und die Differenzierung derselben, sowie Achtsamkeit sind nur Teilsapekte einer Bindung. Für manche Menschen sind es wichtige Säulen einer Bindung, für manche weniger wichtig. Egal wie wichtig diese Aspekte sind, es bleibt nicht aus, darüber zu reden. Und zwar immer wieder. Der Mensch ist kein statisches Wesen, er verändert sich – täglich. Wünsche, Werte, Hoffnungen, Lust ändern sich im Lauf der Zeit. Da gilt es rechtzeitig, selbstverantwortlich seine eigenen Bedürfnisse zu überprüfen, achtsam mit dem Gegenüber zu sein und gegebenenfalls bestehende Verhaltensmuster und /oder -regeln zu korrigieren. Und das nicht nur bei den Aspekten der Lust, Liebe und Sex, sondern auch bei den anderen wichtigen Aspekten, die die Bindung in sich trägt (persönliches Wachstum, Familie, Freundschaften, Beruf etc.).
Wie können wir Einfluß auf menschliche Bindung im Erwachsenenalter nehmen?
Immer im Dialog – und zwar im ehrlichen Dialog mit sich selbst, als auch im ehrlichen Dialog mit meinem Gegenüber. Das bedeutet viel Achtsamkeit, viel Arbeit, viel Zeitaufwand, viel Kraft. Vielen denen das „zu viel“ ist, vergessen, immer wieder Beziehungen lösen und neue angehen bedeutet auch viel Achtsamkeit, viel Arbeit, viel Zeitaufwand und viel Kraft.
Befinde ich mich in einer sicheren Bindung, kann ich jetzt über mich und meine Bedürfnisse reden – ohne Scham, ohne Verlustangst, ohne Zwang. Dann werden Wege gefunden, die beide gehen können, was die Bindung wiederum stärkt, das Vertrauen wachsen läßt und mehr Liebe entsteht – und wahrscheinlich auch mehr Lust. 😉
Liebe Grüße,
Alexandra
P.S.: Das ist mein theoretischer Ansatz, der aus viel probieren, scheitern, revidieren, erneut probieren, erneut scheitern … u.s.w. entstanden ist. Die Umsetzung in die Praxis klappt ganz gut. Ich stelle fest, daß der regelmäßige Austausch, das sich-gewahr-machen, daß der Andere nicht selbstverständlich ist, das nicht-in-Schubladen-denken oder sich stecken lassen und last but not least, das für mich jedenfalls wichtigste, das Vertrauen, hauptsächlich begründet auf Ehrlichkeit, ein Fundament bilden, das ungeahnte Möglichkeiten offen hält. Für beide.
Liebe Alexandra,
danke für deine Perspektive auf das Thema. Du bringt einige weitere wichtige Facetten ins Spiel.
Ich habe allerdings den Eindruck, dass du eher von Beziehung sprichst (in meiner Begrifflichkeit), wenn du sagst, das menschliche Bindung nicht unbewusst entsteht.
Ja, Beziehungen erfordern mehr oder weniger auch eine Wahl, eine Entscheidung. Bindung entsteht jedoch oft (ich behaupte nicht immer und schon gar nicht, dass es immer so sein muss), ohne dass wir so recht merken, wie. Wir merken es erst am Ergebnis: wir wollen weiteren – ggfs. sicheren oder kontinuierlichen – Kontakt mit der Person (oder diesen unbedingt meiden). Dann ist die Bindung, so wie ich diesen Begriff verstehe, allerdings schon geschehen.
Die spannende Frage, die ich stelle, heißt: Können wir das Bindungsgeschehen schon im Werden mit steuern? Ich glaube: ja. Auch wenn das sicher eine hohe Kompetenz erfodert, aber das aufzuführen würde den Rahmen hier sprengen.
Herzliche Grüße
Saleem
Lieber Saleem,
da haben wir den Kasus Knaxus. 😉
Für mich ist es keine Bindung, wenn ich nach ersten Kontakten, weiterhin die Person sehen will. Das ist für mich ein sich-hingezogen-fühlen, ein anfängliches Interesse, Attraktion. Bindung ist für mich eine sehr viel stärkere Begrifflichkeit, die erst mit dem Vetrauen aufkommt, wenn ich mich jemanden verbunden fühle.
Wenn Bindung schon entstanden ist, wenn ich weiteren Kontakt mit der anderen Person haben will, dann ist die Zeitspanne des Werdens des Beziehungsgeschehen, sehr kurz. Das kann, wie in deinem Artikel als Beispiel beschrieben, ein einziger Tanz sein, aber auch ein ganzer Abend/Tag. Kann der Mensch in dieser Zeitspanne bewußt Bindung steuern? Er müsste so sehr in seiner Mitte ruhen, ausbalanciert sein, sich absolut seiner selbst gewahr sein und gleichzeitig auf all die verbalen und nonverbalen Signale seines Gegenüber achten und diese gleichzeitig richtig interpretieren und dabei in dem Moment, in dem Augenblick bleiben, den er gerade mit der anderen Person teilt … . Schwierig. Bedingt stimme ich dir zu und meine auch, ja, das geht. Mir stellt sich dann aber die Frage. Wozu schon in diesem allerersten Stadium des Aufeinandertreffens schon alles bewußt steuern? Was ist der Sinn dahinter?
Liebe Grüße,
Alexandra
Für mich sieht das folgendermaßen aus: So wie wir sexuelle Energie von Herzensenergie unterscheiden können (obwohl auch das schon viele Menschen nicht können), so können wir auch ein Gefühl für „Bindungsenergie“ entwickeln, die eine eigne Qualität hat. Diese zu identifizieren ist in kurzen Kontakten leichter als in längeren, es ist aber im Prinzip die gleiche Energie, so wie unsere Beine die gleichen sind, ob wir nun einen Schritt machen oder eine ganze Wanderung. Das Bein nehmen wir aber leichter wahr, wenn wir uns auf den einzelnen Schritt fokussieren … Das mal so als Analogie.
Wenn wir erstmal die „Bindungsenergie“ als solche identifizieren können, dann ist damit viel gewonnen für unsere Steuerungsmöglichkeiten. Und wie beim Gehenlernen ist es am Anfang mühsam und fordert volle Konzentration, wird aber leichter, je mehr wir damit vertraut sind.
Lg Saleem
Lieber Saleem,
ja, da gebe ich dir Recht. Aller Anfang erfordert etwas mehr Kraft und Konzentration. „Bindungsenergie“ klingt spannend! Ich bin schon sehr gespannt auf dein Buch und freue mich darauf es zu lesen.
Liebe Grüße,
Alexandra
Lieber Saleem,
meinst Du so etwas? …
Beim wach werden gehen mir Gedanken an was auch immer was durch den Kopf und mein Geist versucht Formulierungen darüber zu finden, wie sie mit einer bestimmten Person geteilt werden könnten. Es ist irgendwie selbstverständlich oder gar zwingend, diese mit der Person teilen zu können, andernfalls ist die Freude an dem Gedanken bzw. scheint dessen Wert vielleicht sogar stark eingeschränkt.
Zu so einem Zustand, kommt mir oft der Gedanke, genau das als Bindung zu begreifen, wenn eine Person so einen Platz in meinem Leben hat, dass ich mit der gerade fast alles Teilen möchte.
Oder ein weiteres Beispiel: Ich habe mir im Zusammensein mit einer Person eine bestimmte Art angewöhnt, das Frühstück zu bereiten. eine Art Frühstück, die nun mein Leben bereichert, wie ich es früher nicht kannte. Da dies eine Liebesbeziehung war, kommen dann alle Empfindungen mit dieser Person gleich mit hoch. Und wenn wiese Beziehung schmerzhaft getrennt wurde, gleich auch der Schmerz, dass es so nie wieder sein wird. Ich ertappe mich dann dabei bei dem Drang, vielleicht lieber auf diese leckere Art des Frühstücks zu verzichten, als so mit dem Verlustschmerz immer wieder verbunden zu werden.
Oder drittens: Ich denke morgens beim Aufwachen an Nähe, spüre Sehnsucht danach, und dieser Gedanke ist immer wieder an eine bestimmte Person gebunden. Erst wenn dieser Gedanke wieder frei auftaucht, könnte ich also sagen, keine Bindung mehr mit der Person zu haben.
Freue mich auf weitere Erforschung der Thematik,
Namasté,
Ulf
Lieber Ulf,
ja, ich finde, das sind sehr gute Beispiele für Bindung. Und sie zeigen dass Bindung an sich weder gut noch schlecht ist, es hängt immer davon ab, welche unserer Bedürfnisse sie ggfs. befriedigen und welchen sie ggfs. im Weg stehen.
Liebe Grüße
Saleem
Danke Saleem,
dann habe ich ja Glück gehabt, genau zu verstehen, was Du meinst. So möchte ich noch ein paar Nachgedanken dazu teilen:
Oft wünschen wir uns vom Gegenüber, dass es sich „bindet“, meist wohl im Zustand, dass wir uns selbst schon gebunden, also nicht mehr frei fühlen. Dieses Bindungsgefühl ist also nicht wirklich beeinflussbar, manchmal ganz schön lästig, und vom Gegenüber auch nicht wirklich wahrzunehmen, weshalb wir dazu neigen, dessen Verhalten daraufhin zu interpretieren und schlimmstenfalls zu bewerten. Wirkliche Kommunikation darüber wäre natürlich sinnvoller.
Wenn wir denken, dieses Bindungsgefühl ist nötig – vor allem beim Gegenüber – für die Liebe, steckt m.E. dahinter nur die „Sucht“ nach Sicherheit.
Alles Liebe
Ulf
Mal meine Gedanken zum Bindungsthema:
Bindung kann von einem Partner ausgehen oder von beiden.
Nach Ruth Cohn sollte sich der denkende Mensch dabei auch immer mal fragen ob noch ein „Thema“ als Mittelpunkt bindet oder ob eine „Person“ vampirisch besetzt wird, wie es etwa bei narzisstischen Persönlichkeiten der Fall ist.
Bindung muss man nicht steuern finde ich, sie geschieht von selbst so wie ein Baum auch von selbst wächst.
Verstrickungen sind Bindungen für Leute die über Knoten staunen können und sich Zeit nehmen mal eine komplizierte Substanz zu entwirren. Es muss nicht zwangsläufig geschnitten werden, das reißt auch von alleine wenn nicht nachgefüttert wird.
Die Rückbindung ins Göttliche ermöglicht es uns, uns selbst zu ertragen und Freiräume zu schaffen damit Bindung nicht zum Alptraum wird.
Je intensiver eine Bindung glücklich erlebt werden kann desto mehr Zeit der Distanz ist anzuraten, damit die Intensität nachwachsen kann.
Pingback: Medientipps Polyamorie - Tantranetz
Lieber Saleem,
du unterscheidest also, wie ich gesehen habe, zwischen Bindung und Beziehung. Dann müsste es nicht nur Beziehung ohne Bindung geben können, sondern auch Bindung ohne Beziehung. Ersteres kennen wir, das zweite wäre eine genauere Untersuchung wert.
Gerade kürzlich las ich irgendwo den Satz „Wir können uns nicht nicht beziehen.“ Wenn dem so ist, wie geht dann Bindung ohne Beziehung? Ich denke, dass das nicht nur Wortspielchen sind.
Als Beispiel nehme ich mal meinen Sohn. Nach Ende meiner ersten Ehe, aus der er stammt, verschwand er für lange Zeit aus meinem Blickfeld, war sozusagen abgetaucht. Nach zehn Jahren stand er plötzlich vor der Tür, und es begann eine gute Zeit, in der wir miteinander Umgang hatten. Einige Jahre später war er wieder weg, tauchte aber ebenso plötzlich wieder auf. Und das Ganze nochmal von vorn. Zur Zeit weiß ich, wo er wohnt, und wenn ich sehe, was er in Facebook schreibt, weiß ich, dass es ihm gut geht, aber er verweigert Kontakt.
Kann ich jetzt sagen, dass ich eine Bindung zu ihm habe? Als Vater wohl doch! Aber keine Beziehung im landläufigen Sinne. Ich wünsche mir Beziehung und Bindung.
Dein Thema ist aber nicht die Beziehung, sondern die Frage nach der Steuerung von Bindung. Viel kann ich dazu noch nicht sagen, muss erst einmal nachdenken und hinspüren.
Liebe Grüße
Till
Lieber Saleem,
meine Gedanken und Erfahrungen zum Thema:
Ich kann manchmal sehr schnell eine Verbindung mit einem anderen Menschen spüren, die sehr intensiv sein kann. Z.B. ist vor einigen Monaten bei einer Veranstaltung ein Mann in den Raum gekommen, wir haben uns angesehen, und sofort gespürt, dass da eine Verbindung zwischen uns ist (man könnte es vielleicht auch Interesse, Anziehung, Chemie…) nennen. Eine Bindung wird meiner Erfahrung nach dann daraus, wenn man dieses erste Gefühl der Verbundenheit „füttert“. Was ja durchaus ein bewusster Akt ist. Wenn man also in Kontakt bleibt, telefoniert, einander besser kennen lernt… dann entsteht eine Bindung. Da das Interesse beidseitig war haben wir das gemacht und sind nach wie vor am Forschen, was diese (Ver-)bindung zwischen uns ausmacht.
Man mag daran glauben oder auch nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir manche Menschen, bei denen so ein starkes, spontanes Gefühl des „Wiedererkennens“ entsteht, auch schon aus anderen Leben / Dimensionen / Welten… kennen und schon so manches gemeinsam erlebt haben.
Ich kenne es auch, dass, wenn ich mit einem Menschen intimen Kontakt habe, sei es auf einem Seminar oder zuhause, ein Gefühl von Bindung entsteht, einfach durch das Einlassen aufeinander, auf Herz- und/oder sexueller Ebene. Dann fühlt es sich im ersten Moment nach „Verliebtheit, Schicksal, Unentrinnbarkeit“ an und es drängt mich, diesem Gefühl nachzugeben und neuerlich Kontakt zu suchen. Mittlerweile habe ich aber gelernt, dass, wenn ich dem Drang nicht nachgebe, er innerhalb von 2 bis 3 Tagen wieder verschwindet und es rückblickend dann einfach eine schöne Begegnung war. Das kann durchaus etwas mit Hormonen zutun haben, die in größeren Mengen ausgeschüttet werden und sich dann im Laufe von ein paar Tagen wieder abbauen.
Oft entscheide ich mich dann bewusst, dem Drang nicht nachzugeben, wenn ich das Gefühl habe, dass sich daraus nur Komplikationen und Verwirrung ergeben würden.
Ich glaube, dass es ein wichtiges Thema ist. Danke, dass Du Dich dem widmest. Am wichtigsten wird es wohl sein, klare Unterscheidungen zu treffen. Was ist Bindung, Verbundenheit, Fixierung, Verstrickung, Verliebt-Sein…?
Liebe Grüße
Brigitte
Lieber Saleem,
nun habe ich deinen Beitrag erst ein Jahr nach Erstveröffentlichung gelesen und auch den ganzen Thread dazu, was ich sehr spannend fand.
Nun hat sich bei mir noch eine wichtige Frage ergeben, die in den ganzen Beiträgen nicht aufgetaucht ist.
Wenn ich das Wort Bindung in seiner wörtlichen Bedeutung nehme, heiß das dann, dass mit jeder Bindung, die ich eingehe, ich meine Freiheit beschränke, weil ich mich irgendwo „anbinde?
Wenn ich also den Grad der Bindung bewusst steuern könnte, dan könnte ich auch die Einschränkung meiner individuellen Freiheit bestimmen.
Ich habe mich gerade aus einer langjährigen Bindung gelöst, in der ich viel schönes bekommen habe und auch geben konnte, die mich aber gerade auf sinnlichem und sexuellen Gebiet sehr in meiner Freiheit eingeschränkt hat. Nun genieße ich gerade diese neu erlangte Freiheit und bin gespannt auf die nächste sich anbahnende Bindung, die ich aber gerade nicht suche. Aber kann ich sie bewusst vermeiden, wenn ich mich auf nahe Kontakte zu Menschen einlasse?
Ein sehr komplexes Thema, sehr spannend. Ich bin auch gespannt auf dein Buch.
Liebe Grüße
Norbert