Vor einigen Tagen nahm Barack Obama den Friedensnobelpeis entgegen. Gestern hörte ich in seine Rede in Oslo. Unter dem Hauptfokus diese Blogs „Wie gehen wir mit Widersprüchen um“ war ich höchst gespannt, wie er als Kriegspräsident den Friedenspreis entgegen nehmen würde.
Die Süddeutsche Zeitung fand seine Rede ärgerlich, weil er dazu stand, dass seiner Meinung nach Krieg manchmal notwendig sei – allerdings durchaus nicht hinreichend! – um dauerhaften Frieden zu schaffen. Ich finde Obama’s Position höchst angreifbar und bin durchaus nicht in allen Punkten seiner Meinung. Dennoch war diese Rede für mich ein höchst gelungenes Beispiel für das, worin Obama allen anderen mir bekannten Politikern um Längen voraus ist: er kann in Widersprüchen denken und diese und seine Haltung dazu verständlich kommunizieren.
Es war eben keine Rede, wie sie vielleicht seine Anhänger aus der Friedensbewegung sicher gerne hätten hören wollen. Es war keine Rede eines Gutmenschen, der so tut als müsse er sich als amerikanischer Präsident nicht die Finger schmutzig machen. Es war auch keine Rede, wie sie unsere deutschen Politiker bis zum Erbrechen gerne halten, wenn sie Eiertänze darum herum veranstalten, wie sie etwas sagen können, ohne wirklich etwas zu sagen, und sich dann später gegenseitig der Lüge bezichtigen, wie aktuell im Zusammenhang mit dem Tanklasterbombardement bei Kundus.
Kürzlich las ich das neue Buch von Rüdiger Dahlke „Die Schicksalsgesetze“, worin er als wohltuende Antwort auf den esoterischen „The Secret“-Boom betont, dass wir nur dann mit unseren Wünschen und Anliegen echte und dauerhafte Resonanz aufbauen können , wenn wir zuvor auch den Gegenpol in uns und in der Welt anerkennen. Obama tut das, und ich finde das wegweisend, gerade auch weil er damit nicht den Eindruck erweckt, wir könnten alle die Hände in den Schoß legen und ihn machen lassen. Nein, es ist unser aller Verantwortung, unsere Antwort darauf zu finden, dass es Krieg gibt in der Welt und wir es uns anders wünschen.
Was ist Ihre Antwort?
Ich wünsche uns allen eine friedensstiftende Weihnachtszeit.
Herzlich
Saleem Matthias Riek
Lieber Saleem,
du schreibst mir aus der Seele – danke!
Mit verschiedenen Gewalterfahrungen und Traumatisierungen aufgewachsen, durfte ich unter anderem auch bei Art of Being erfahren, dass nur das innige Annehmen und Anerkennen dieses Teils von mir – mich in die Lage versetzt – all das loszulassen und Frieden zu finden.
So ein Glück
Hier noch ein Gedicht dazu:
Fremde Frau – wie hingegossen
Blut, Schweiß, Tränen oft geflossen
spülten dich an neues Land
bist nicht mehr fremd mir – bist bekannt
Kannst das Fließen in dir spüren
musst nicht mehr knallen mit den Türen
Losgelassen wilde Wut
zerstört nicht mehr – macht neuen Mut
An-mut, De-mut, Hoch-mut ——Hoffen
im Gelöstsein bist du offen
Eidechslein auf alten Wurzeln
Steine, die vom Herzen purzeln
Über springen deine Funken
manche macht das wie betrunken
Ja, das darf und kann hier sein
schließlich lebst du nicht allein.
von Birgitt, Karin, Barbara Merkel
Lieber Saleem,
ausnahmsweise bin ich nicht Deiner Ansicht, na dann schreib ich dochmal schnell, lang, ausführlich warum!
Zunächst: ich kann Dich super verstehen. Ich bin auch leicht in Obama verliebt und er versucht ja irgendwie in diesem Machtsystem was zu schieben und zu verändern
UND:
ich finde, wir dürfen auf ihn NICHT hereinfallen, weil er so sympathisch spricht, nur so übernehmen WIR auch Verantwortung.
Obamas Rede ist für mich z.T. toll gesagt und dann gespickt mit den klassischen Kriegslügen. Daher ist ER der Gutmensch, der anfängt zu lügen, aber seine Lügen als „Denken in Widersprüchen“ darstellt, um gut zu bleiben.
Als Politiker muss er geradezu „lügen“, denn er muss Machtinteressen, d.h. gruppenegoistische Interessen der USA vertreten. Das ist das Grundproblem von Politikern.
Allein dass unter ihm die Militärausgaben gerade um 30 Milliarden erhöht wurden, ist doch der Hammer. Mit 20 Milliarden könnte man alle Slums der Welt auflösen oder allen Menschen sauberes Trinkwasser zu Verfügung stellen oder endlich den Hunger beseitigen.
Warum spricht er das nicht an.
Naja und geschweige die 500 Milliarden, die jährlich für Militär in den USA draufgehen. Über 1 Milliarde täglich: meine Fresse, warum stecken sie dieses Geld nicht nach Afghanistan und bauen denen tolle Häuser mit Swimming Pool oder so, meinetwegen mit Auftrag für US-Firmen, inklusive Jahrestraining bei AoB! 🙂
Obama hat sinngemäß so gesagt: „Dieser Krieg dient dem Frieden und manchmal muss man -wie gegen Hitler- Krieg führen, um Frieden zu bekommen.“ –> Na wunderbar: da hätte olle Adolf sich gefreut, dass mit ihm weiterhin jeder Krieg möglich ist, weil ja in jedem Krieg, Hitler auf der anderen Seite steht: drüben das personifizierte Böse! Hitler als ewiger Kriegsgrund. – Krieg ist nicht Frieden, Kriegsvorbereitung keine Sicherheitspolitik. Katzen sind nicht Mäuse, und Lügen keine Wahrheit. Aber so – am Gängelband unserer Gefühle – betreibt man Politik.
Man darf eben nicht politisch denken, sondern muss weiter, menschheitlicher denken und fühlen; utopisch ist es, weiterhin Krieg zu führen mit vermeintlich „guten“ Argumenten. Übrigens ist der stille Krieg, der von der Demokratie USA ausgeht so unglaublich (vgl. Jean Zieglers neues Buch über den wirtschaftlichen Weltkrieg), da sage einer Demokratie sei per se besser als Diktatur.
Auszug aus einem Text zur „Aufklärung über unsere Psyche“, den ich zwar gekürzt habe, aber wichtig halte, in dieser Länge Dir und euch anzubieten:
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Die erste Waffe, um die Friedensbewegung unschädlich zu machen, ist die verordnete Lüge, ist die political correctness, die Willfährigkeit der Medien…
Man muss bei allem, was man hört – fast wie im Kabinett der Paranoia – das Gegenteil von dem denken, was gesagt wird. Wie in den Tagen Orwells: „Wir wollen keinen Krieg“ bedeutet: „Wir bereiten ihn ganz sicher vor!“. „Wir setzen auf die Mittel der Politik“ heißt: „Wir schicken gerade Schiffe in den Golf (um dem Iran schon mal zu zeigen, wie es weiter gehen könnte)“. „Wir wollen keine Atomwaffen“ heißt „Wir stellen gerade robuste nukleare Erdpenetrationswaffen her“.
…
Die Wirklichkeit ist, dass der Krieg geboren wird aus rein sozialpsychologischen Dynamismen – sie lassen sich so einfach durchschauen, wie es nur irgend geht. Sie bestehen darin, das Beste in uns, unsere Tradition, unsere religiösen Werte, unsere moralischen Inhalte zu Propagandawaffen umzuschmieden. Krieg ist nur zu führen, wenn sich eine Gruppe gegen die andere einschließt, mit einem bestimmten Autostereotyp, das ihr versichert, besser zu sein als die andere – die Konkurrenz- und Bezugsgruppe. Diese Gruppe fühlt sich besser, weil sie die richtigen Werte hat, weil sie demokratisch ist, weil sie menschlich ist, weil sie überlegen ist, weil sie den Frauen keine Burka überzieht, weil sie das allgemeine Wahlrecht hat, weil weil weil … und deshalb müssen wir jetzt Krieg führen zugunsten der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit, des Fortschritts – was auch immer.
Der Aberwitz liegt darin, dass man Werte, die allen gehören, weil sie Menschen sind, fraktioniert und verabsolutiert zur Durchsetzung von speziellen gruppenegoistischen Einzelinteressen. Moral ist nichts für ein einzelnes Volk, sondern für alle Menschen, weil sie Menschen sind. Im Krieg aber werden daraus Waffen zum absoluten Rechthaben. Kein Krieg, der nicht geführt würde entweder für Gott oder für säkulare Ersatzstücke davon. „Kann denn“ – meinte Erasmus von Rotterdam im 16. Jahrhundert – „irgendein Krieg geführt werden, ohne dass jeder der beiden Kombattanten seine Sache für die gerechte halten würde?“
…
Alle Kriege laufen darauf hinaus, den Schrecken, den man für das Eigene befürchtet, auf das Andere zu übertragen. Die besten Werte werden umformiert zur Lüge und zur Farce. Deswegen ist es ein Stück der Selbstbehauptung, der Ehrlichkeit, der Würde vor sich selber, Nein zu sagen dem Krieg gegenüber, keine Entschuldigung mehr gelten zu lassen, unter keiner Farbe mehr sich etwas vorschmieren zu lassen. Die einzige Art, auf den Krieg zu reagieren, besteht darin, ihn zu verweigern!
Und dennoch haben wir diese ungeheure Geduld. Wir erlauben den Amerikanern, die Hälfte aller Rüstungsgelder selber auszugeben auf diesem Globus – jeden Tag mehr als eine Milliarde Dollar. Wir Deutsche brauchen anderthalb Monate, um an diese Summe heranzukommen, aber wir sind mit dabei. Das alles treiben wir bei über 50 Millionen Verhungernden, in einer Zeit, in der wir jedes Jahr 150 Tier- und Pflanzenarten ausrotten, nur um gesiegt zu haben. Selbst der Nicht-Krieg, diese Art von Rüstung, dieser Militär-Keynesianismus, mit dem die Mächtigen die Waffenlobby sponsern und unterschwellig – freier Markt hin und her – in jeder Weise bevorzugen, ist Mord an den Menschen, die nicht weiter wissen.
…
Wolfgang Borchert schrieb 1947: „Was soll ich denn tun und wo soll ich hin, wenn alles, was ich mache, auf einen Mord hinausläuft?“ Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich darauf keine Antwort weiß. Wir sind nicht dabei, auch nur die Geschwindigkeit in immer rasendere Formen der Gewalt ein wenig aufzuhalten. Von einer Schubumkehr kann weit und breit keine Rede sein. Die Machthaber haben aus dem Schock von Vietnam das für sie Richtige und für uns absolut Verkehrte gelernt: Es soll so weiter gehen! Und es wird so weiter gehen, muss ich fürchten, solange es überhaupt noch gehen kann.
In dieser Lage ist es sehr wichtig, eine Dimension im Leben zu fühlen oder einzuführen, die das Absurdum erträglich macht. Ich stehe nicht an, es eine religiöse Dimension zu nennen. Die Dinge sind wahr – einfach, weil sie menschlich stimmen. Ob wir damit reüssieren, wie viel Widerspruch wir uns dafür einhandeln, ob uns irgendeine Zeitung dafür druckt oder verhöhnt, es ist absolut egal – wenn es nur stimmt.
Die Menschheit von morgen wird eine friedliche sein oder überhaupt keine sein! Deshalb werden wir – irgendwann – bestätigt werden in dem, was wir sagen. Nur – um welchen Preis, um wie viele Opfer? Ich weiß es nicht – und ehrlich gestanden: Ich möchte es gar nicht wissen.
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Aus: Reden gegen den Krieg
Danke fürs lange „Zuhören“ und spannende „diskutieren“
liebste Grüße,
Malte
Lieber Malte,
danke für deine engagierte Antwort und deinen Widerspruch! Ich stimme in vielem zu! Obama hat zu wichtigen Fragen geschwiegen und wohl auch gelogen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er selbst darum weiß.
Hier noch ein paar kleine Anmerkungen:
* Wenn Politiker lügen müssen – und das glaube ich auch – warum erwartest oder forderst du etwas anderes von Obama? Welche Verantwortung tragen wir, dass uns die von uns gewählten Vertreter belügen müssen, um im Amt zu bleiben?
Ich glaube, dass er kaum einen Tag länger Präsident wäre, wenn er z.B. bezüglich des Finanzsystems und der daraus folgenden Wirtschafts- und Kriegslogik die Wahrheit sagen würde – wenn er sie überhaupt selbst kennt. Es wäre nämlich das Ende der amerikanschen Hegemonie.
* Obama verkauft seinen Standpunkt nicht als „Denken in Widersprüchen“ und redet ihn auch nicht damit schön. Diese Deutung stammt von mir. Sie zielt auf etwas ganz jenseits der Inhalte seiner Rede, die ich durchaus fragwürdig finde wie z.B. die Frage, ob es so etwas wie einen gerechten Krieg gibt.
Obama kann es m.E. in einem höheren Maße aushalten, widersprüchlich zu handeln und sich z.B. in der Tradition von Martin Luther King zu sehen und zugleich in eklatantem Widerspruch zu ihm, weil er Krieg führt. Er blendet das eben nicht aus. Das ist für mich eine Bewusstseinsebene, auf der wir überhaupt erst Widersprüche aushalten können. Die halte ich tatsächlich für fundamentaler als den Inhalt. Denn ist es nicht das Nicht-Aushalten-Können von Widersprüchen, das uns gegen etwas kämpfen lassen?
* Auch deinen Beitrag lese ich so, als stündest du auf der richtigen Seite und lügende Politiker und Kriegsrechtfertiger jedweder Couleur auf der falschen. Ist es dann damit getan, „sich dem Krieg zu verweigern“? Wäre es nicht konsequent, uns mit allen Mitteln, die wir moralisch rechtfertigen können, dagegen zu stemmen und für das Gute, den Frieden, einzustehen? Und wäre das etwas anderes als ein gerechter Krieg?
Welche – friedlichen? – Waffen würdest du wählen? Und würden die ausreichen, das Morden, Abschlachten und Abholzen auf diesem Planeten wirklich zu beenden? Oder sind sie doch eher dazu da, sich selbst von der kollektiven Schuld reinzuwaschen?
Ob du willst oder nicht, du bist immer Teil der Dynamik, die du beenden willst. Das zu begreifen braucht die Fähigkeit, in Widersprüchen zu denken.
Herzliche Grüße
Saleem
Lieber Saleem,
Danke für die spannende Unterhaltung, Deine Antwort und Deine Lesart.
Deinen Beitrag lese ich so, dass Du auf der richtigen Seite stehst und simple Kriegsgegner auf der falschen?
Ist es damit getan, esoterisch über den Dingen zu stehn und keine eindeutige politsche Position zu beziehen?
ISt das nicht ein intellektueller Definitionskrieg?
Versuchst Du die Spannung und Kraft im Engagement und im „für etwas einstehen“, mit philosophischen Gedanken rauszuwaschen und Dich reinzuwaschen?
„Ob du willst oder nicht, du bist immer Teil der Dynamik, die du beenden willst. Das zu begreifen braucht die Fähigkeit, in Widersprüchen zu denken.“ – Ja, wunderbar, ich stimme zu UND ergänze: und es braucht die Fähigkeit, den Mut konkret für etwas einzustehen, auch wenn Du Gefahr läufst, falsch zu liegen, ausgegrenzt zu werden und dabei Angst zu haben.
Oder anders gesagt: Wo mensch nicht hassen darf, kann er auch nicht lieben, drei Dinge hasse ich: ich hasse Krieg (Gewalt gegen Menschen), ich hasse unsere Plutokratie und ich hasse Tierausbeutung.
Es gibt von Camus die Aussage, sinngemäß: „Es ist ungeheurlich, dass die Pazifisten auf die Anklagebank gesetzt werden und ihnen vorgeworfen wird, nicht genug gemordet zu haben.“
Jetzt müssten wir ja hinzufügen: „Die Pazifisten morden irgendwie genauso, wie jeder Soldat, weil sie auch einen gerechten Krieg führen – sagst Du?“
Intuitiv regt sich in mir Dein geliebter Widerspruch: es gibt einen enormen Unterschied zwischen SPirituelaität/Psychologie und Politik, zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Sprache (gegen Krieg) und Keule (im Krieg).
ICh finde Du hast spirituell recht und politisch unrecht und bist somit auch jenseits von recht und unrecht – mein Vorschlag lautet, beides zu leben: Eine religiösen HAltung in der Widersprüchlichkeit und eine sozial-politische im Engagement (Eindeutigkeit), um sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen…
Lieben Gruß, Dein Malte
jetzt bin ich aber gespannt, wie’s weitergeht…
Liebe Annette,
vielleicht in dem ich mir widerspreche, und Saleem sich und Du Dir?
Also, lieber Malte, ich bin mir unsicher, ob Du das mit dem „Widerspruch aushalten“ in seiner Tiefe wirklich erfassen magst?
Bist Du wirklich bereit, jenseits Deiner mitunter „richtigen“ politischen Ansicht, diesen Widerspruch, diese Uneindeutigkeit auszuhalten?
Es ist ein feiner, aber entscheidener Grat, ob Du Dich engagierst, um den Widerspruch abzubauen und Dich „gut“ zu fühlen oder ob Du im grundsätzlichen Widerspruch/in der Uneindeutigkeit präsent bleibst, vielleicht in dem Du ihn transparent machst…
Dein Malte
Lieber Malte, liebe Annette, liebe MitleserInnen,
mit ein paar Sätzen möchte ich mich und meine Ansicht zum Thema noch etwas transparenter machen, denn da scheint einiges nicht so angekommen zu sein wie ich es gedacht hatte.
„Simple Kriegsgegner“ stehen für mich nicht auf der falschen Seite, sondern machen es sich schlicht oft zu einfach, indem sie ihren eigenen Anteil an der Dynamik ausblenden. Dennoch haben Sie meine Sympathie, weil ich Frieden liebe.
„Esoterisch über den Dingen zu stehen“ finde ich nicht so verlockend, und es hieße auch, es sich zu einfach zu machen, denn wir stehen nicht über den Dingen, sondern mitten drin. Dabei müssen wir aber nicht blind für die Erkenntnis bleiben, dass das für jeden anderen auch gilt und die Welt aus jeder Position anders aussieht. Wie würdest wir es finden, wenn unser Vater von einem amerikanischen Soldaten aus dem KZ befreit worden wäre?
Prinzipien werden selten der ganzen Polarität des Lebens gerecht, auch nicht das der Gewaltfreiheit.
Anzuerkennen selbst Teil der Dynamik zu sein heißt für mich nicht, keine Position zu beziehen. Was du hier gerade liest, IST meine Position. So setze ich mich leidenschaftlich gerne dafür ein, die Dynamik, die zum Krieg führt, zu verstehen, um ihn entbehrlich zu machen. Und dabei finde ich manchmal in mir, z.B. in meiner Partnerschaft, ähnliche Mechanismen wie ich sie in der Politik beobachte: z.B. das nicht aushalten können von Anders-Sein, von Widersprüchen, von unterschiedlichen Werten und von unerfüllten Bedürfnissen, was alles in bewussten oder unbewussten Machtansprüchen mündet und in die Illusion, ich könnte auch ohne oder gar gegen den anderen auf Dauer gewinnen.
Pazifisten morden in der Regel nicht. Das finde ich gut. Und Pazifisten laufen Gefahr, sich mit der Loyalität gegenüber dem Prinzip der Gewaltlosigkeit darüber hinweg zu täuschen, welches Gewalltpotenzial in ihnen selbst schlummert und wie es subtil wirkt. Hast du schonmal erlebt, wie wütend es einen machen kann, wenn jemand dich immer freundlich anlächelt und sich niemals dazu herab lassen würde, selbst wütend zu werden? Er hat es nicht mehr nötig und findet, du solltest auch mal an deiner Agression arbeiten, um sie zu abzubauen…
Das soll keine Verharmlosung von Krieg sein, denn es ist vergleichsweise harmlos. Aber manches lässt sich anhand solcher Analogien vielleicht verstehen.
Es macht für mich nicht viel Sinn, zwischen spiritueller und politischer Wahrheit zu unterscheiden. Das wäre wie sonntags in der Kirche beten und ab Montag wieder meinen unheiligen Geschäften nachzugehen. Mich interessiert, wie sich diese beiden Ebenen durchdringen können, und da stehen wir in unserer Kultur noch kaum mal am Anfang und ja, wir bewegen uns da auf einem schmalen Grat.
Ich bin auch gespannt wie es weiter geht – in mir, in uns, auf diesem Planeten und überhaupt… – und wünsche uns allen friedliche Weihnachten und allerorten ein wachsendes Klima der Liebe.
Herzliche Grüße
Saleem
Auf ein Wort. Es geht hier doch nicht um Krieg und Frieden. Es geht doch darum, dass wir uns selbst lieben. Dann hören wir auch auf, andere zu verurteilen. Ob wir wollen oder nicht, wenn wir uns nicht selbst lieben, führen wir immer Krieg, auch wenn wir uns für Pazifisten halten.
Herzlich
Tom