Der Corona-Spaltpilz und seine Heilung

Wie wir Trauma-Aktivierungen bemerken und bewältigen

Manche leben so zurückgezogen, dass sie von all dem gar nichts mitbekommen. Andere stecken mitten drin. Die Streitfront verläuft quer zu den üblichen Gruppierungen, quer durch Parteien, Familien und Freundeskreise. Ist das Coronavirus ein Spaltpilz?

Besonders intensiv wird der Streit in den sozialen Medien ausgefochten. Viele sind fassungslos, was dort alles zu lesen ist und auch mir geht das manchmal so. Manche trauen sich kaum, ihre Meinung zu äußern, weil sie mit heftigen Reaktionen rechnen müssen.

Sind wir alle verrückt geworden? Insbesondere in der psychospirituellen Szene waren harte Konflikte bisher selten. Glaubensfragen hatten kaum Konsequenzen für den alltäglichen Umgang miteinander, unterschiedliche Auffassungen haben wir respektiert. Doch jetzt werden die Konsequenzen unseres „Glaubens“ konkret und existenziell. Wen dürfen wir noch wie nah treffen? Welcher Arbeit nachgehen? Welchen Nachrichten vertrauen? Welchen Maßnahmen einen Sinn abgewinnen?

Was ist wie gefährlich für wen?

Zwei Faktoren bestimmen wesentlich, zu welcher Bewertung wir persönlich tendieren:

  1. Für wie gefährlich halten wir die Pandemie – für uns persönlich, für Menschen, die uns nah sind, und für die Gesellschaft insgesamt?
  2. Für wie bedrohlich halten wir die Maßnahmen zur Eindämmung – für uns persönlich, für Menschen, die uns nah sind, und für die Gesellschaft insgesamt?

Zwischen den beiden Einschätzungen gibt es Wechselwirkungen: Für je gefährlicher wir das Virus halten, desto angemessener und weniger bedrohlich empfinden wir die Maßnahmen. Und je mehr wir uns von den Maßnahmen bedroht fühlen, desto eher neigen wir dazu, die Gefahren des Virus geringer einzuschätzen. Es ist immer eine Frage der Relation, so funktioniert unser Verstand.

Darüber hinaus ist unser Verstand auch leicht korrumpierbar. Er hält eher für wahr, was unseren Interessen und Erwartungen entspricht. Anders gesagt: Wir glauben, was wir glauben wollen. Dieses Wollen ist von unseren aktuellen Lebensumständen geprägt, aber auch von unserer individuellen Geschichte.

Unsere Lebensumstände bestimmen unsere Perspektive

Die beiden Faktoren machen nachvollziehbar, warum wir die gleiche Situation so unterschiedlich interpretieren. Doch weshalb verfeinden sich plötzlich Menschen, die sich bis vor kurzem nahestanden? Die unterschiedlichen Lebensumstände einzubeziehen könnte eine Brücke für Verständigung sein. Dass eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern jetzt mehr Stress hat als ein kinderloses Paar mit Beamtengehalt, ist naheliegend, genauso wie dass sich der Mittfünfziger mit Bluthochdruck eher um seine Gesundheit sorgt als die kerngesunde Frau um die dreißig.

Doch diese Pandemie macht es schwer, verschiedene Bedürfnisse gleichermaßen zu berücksichtigen. Wir sind alle betroffen, aber auf ganz unterschiedliche Weise. Wir haben es mit einem echten Dilemma zu tun, eine Lösung, die alle zufriedenstellt, gibt es nicht. Zudem sind wir auch noch kollektiv voneinander abhängig, denn die Maßnahmen machen nur Sinn, wenn sich die meisten dran halten.

Von der Angst zur (Re-) Traumatisierung

Konfrontiert mit Abhängigkeiten, die sich unserem Einfluss entziehen, werden die meisten Menschen emotional. Es geht dann eher um Gefühle als Sachverhalte und es geht insbesondere um Angst. Die Dynamik der Pandemie und ihrer Eindämmung nimmt Ausmaße an, die bis vor Kurzem unvorstellbar waren. Vor allem folgende Grundängste werden ausgelöst:

  1. Die Angst, sich anzustecken, schwer krank zu werden oder zu sterben. Sie zeigt sich in Sorge um das eigene Wohlergehen und evtl. in Selbstisolation.
  2. Die Angst vor existenzieller Not durch die Maßnahmen zur Eindämmung. Sie zeigt sich im Bedürfnis nach Unterstützung und Solidarität.
  3. Die Angst vor dem Verlust von Bindung. Sie zeigt sich im Bedürfnis nach Kontakt, gegenseitiger Empathie und geteilter Verantwortung.
  4. Die Angst vor dem Verlust von Autonomie. Sie zeigt sich im Bedürfnis, mit seiner eigenen Meinung respektiert zu werden oder im Engagement für freiheitliche Grundrechte.

Wenn Ängste zu stark werden, können wir sie nicht mehr sinnvoll verarbeiten. Wir wechseln in den Kampf-, Flucht- oder Totstellmodus unseres Reptiliengehirns. Hirnareale, die wir für differenziertere Betrachtungen benötigen, schalten weitgehend ab. Starke Ängste berühren oft auch traumatische Vorerfahrungen und aktivieren dann die Muster, mit denen wir ein Trauma überlebt, aber nicht vollständig verarbeitet haben.

Der aktuellen Situation nicht angemessene heftige Reaktionen sind ein Indiz, dass ein latentes Entwicklungstrauma aktiviert wurde.

Entwicklungstraumata entstehen insbesondere in der Kindheit durch die chronische Missachtung oder Vernachlässigung von Grundbedürfnissen. Weil sie nicht auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen sind, sondern auf Lebensumstände, die für den Betroffenen „normal“ waren, werden sie selten als solche erkannt, sind aber sehr verbreitet.

Im Trauma-Modus kann sich z.B. die Angst vor Ansteckung ins Unermessliche steigern. Andere Gefühle dienen eher der Abwehr von Angst. Die Reduzierung von Kontakten lässt uns z.B. depressiv werden oder Freiheitsbeschränkungen lösen ohnmächtige Wut aus.

Wie wir Trauma-Aktivierungen erkennen

Wenn ein Trauma aktiviert wird, ist es hilfreich, das möglichst bald zu bemerken und uns einzugestehen. Typische Symptome sind:

  • Wir fühlen uns, als habe jemand den Stecker gezogen. Wir ziehen uns resigniert aus menschlichen Kontakten zurück.
  • Der Adrenalinspiegel steigt steil an, wir werden zur rasenden Wildsau.
  • Die Intensität unserer Gefühle steht in keinem plausiblen Verhältnis zum Anlass.
  • Wir fühlen uns total im Recht, können keine Irrtümer zugeben, machen andere unermüdlich auf „die Wahrheit“ aufmerksam und unsere Texte stecken voller Ausrufezeichen.
  • Wir sind nicht in der Lage oder kommen gar nicht auf die Idee, uns in andersdenkende Menschen einzufühlen.
  • Wir spüren Hoffnungs- oder Sinnlosigkeit.

Trotz deutlicher Signale fällt es oft nicht leicht, uns einzugestehen, was unsere emotionale Reaktion mit uns selbst zu tun hat. Alter Schmerz kann hervorbrechen und ist zudem oft mit Scham verbunden. Doch ohne Bewusstsein für unsere innere Dynamik projizieren wir unsere Vergangenheit auf die Gegenwart und schneiden uns vom Verständnis anderer Menschen ab. Wir fühlen uns getrennt, was die verhängnisvolle Dynamik weiter verstärkt. Sie kann dann auch wahnhafte Züge annehmen.

Die Grundbedürfnisse nach Freiheit und Bindung

In der Coronakrise geht es vor allem um folgende zwei Grundbedürfnisse, deren frühere Traumatisierung leicht aktiviert werden kann:

  1. Das Bedürfnis nach verlässlicher Bindung
  2. Das Bedürfnis nach freier Entfaltung.

Diese Bedürfnisse stehen in einem natürlichen Spannungsverhältnis zueinander. Sie in Balance zu bringen, ist eine lebenslange Aufgabe. Wenn uns das nicht gelingt, laufen wir Gefahr, uns im Kontakt mit anderen Menschen zu polarisieren. Viele kennen das aus Partnerschaften: Je mehr Nähe der Eine braucht, desto mehr Freiheit fordert der Andere und das Drama nimmt seinen Lauf.

Im Zusammenhang mit Corona sehe ich eine ähnliche Dynamik am Werk. Je nachdem, wie wir geprägt sind, tendieren wir zu 1. oder 2.:

  1. Die einen fokussieren auf die menschliche Verbundenheit, aber auch auf die Abhängigkeit voneinander. Anderer Leid können sie kaum ertragen. Sie sind schnell bereit, eigene Rechte und Bedürfnisse für das Gemeinwohl zu opfern.
  2. Die anderen fokussieren auf das Bedürfnis nach freier Entfaltung, sie fühlen sich schnell eingesperrt oder manipuliert und leiden besonders unter den Maßnahmen, die ihre individuelle Freiheit einschränken.

Wenn wir die Perspektive nicht mehr wechseln können

Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir uns über Meinungen ärgern, die wir nicht teilen oder gar für gefährlich halten. Doch im Angst- oder Trauma-Modus verliert unser Verstand die Fähigkeit, zwischen Perspektiven zu wechseln und uns in eine andere einzufühlen. Wir verabsolutieren die eigene Position, nehmen vermehrt selektiv wahr, suchen nur noch Informationen, die unsere Sichtweise stützen und blenden alles andere aus. Wir lesen einen Text, der unser Trauma triggert, und steigen innerlich aus oder uns wird schlecht. Womöglich glauben wir, man habe sich gegen uns verschworen. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Manche werden anfällig für abstruse Theorien, die uns eingängige Erklärungen für das Unerklärliche anbieten und uns auf diese Weise kurzfristig Erleichterung verschaffen.

Die meisten von uns kennen eine oder mehrere solcher Reaktionen. Auch ich konnte in letzter Zeit manchmal zur rasenden Wildsau werden. Auch bei mir selbst sehe ich das als ein Symptom alter Verletzungen, denen ich – wann immer ich das merke – nachgehe, um meine Gefühle zu mir zu nehmen und zu bewältigen.

Die Verantwortung für die eigenen Gefühle zu sich zu nehmen, heißt nicht, dass wir zu einem Thema keine klare Meinung haben sollten. Es verhilft uns lediglich dazu, dass unsere Meinung sich sinnvoll auf die aktuelle Situation bezieht und wir nicht blindlings ein Kindheitsmuster ausagieren. Beides voneinander zu unterscheiden ist nicht immer leicht, vor allem, wenn die aktuelle Situation selbst brisant genug ist, uns emotional zu überfordern oder gar zu traumatisieren.

Wenn problematische Argumente zu Triggern werden

Gerade wenn es um zunächst sachliche Argumente geht, ist es nicht immer leicht, die inhaltliche von der psychodynamischen Ebene zu unterscheiden. Wie bemerken wir den Trigger und wie gehen wir damit um? Hier beispielhaft zwei Argumente mit Trigger-Potenzial:

  1. Was geht es andere an, wenn ich mich mit einer Gruppe von Freunden treffe? Das ist nur eine Sache unter uns.
  2. Menschenleben müssen Vorrang haben gegenüber sozialen und wirtschaftlichen Interessen. Wenn es um Leib und Leben geht, muss alles andere zurückstehen.

Wie interpretieren und wie reagieren wir auf diese beiden Thesen?

  • Der erste Satz zeugt von einer gewissen Ignoranz. Weil das Virus unbemerkt übertragen werden kann, sind Menschen mitbetroffen, die beim Treffen gar nicht dabei sind. Insofern geht es auch andere Menschen etwas an. Soweit die Sachebene.

Wenn wir extrem auf die Ignoranz reagieren, steckt mehr dahinter. Wir können es dann nicht ertragen, dass persönliche Interessen über das Gemeinwohl gestellt werden. Wir erleben das als Angriff auf uns selbst.

  • In der zweiten Aussage steckt ein Absolutheitsanspruch, der potenziell alles legitimieren könnte und jede Verhältnismäßigkeit ausblendet. Ein solcher Absolutheitsanspruch ist mindestens diskussionswürdig.

Auch hier steckt mehr dahinter, wenn wir bei einer solchen Aussage innerlich ausflippen. Wir können nicht ertragen, dass unser Recht auf Autonomie in Frage gestellt wird, womöglich bekommen wir ganz ohne Virus Angst zu ersticken.

Unsere persönliche Prägung berücksichtigen

Wie gesagt, die meisten Menschen tendieren je nach Kindheit deutlich in die eine oder die andere Richtung, aber es gibt auch alle möglichen Kombinationen. Unsere subjektive Prägung wäre für sich genommen noch kein kommunikatives Problem, wenn wir sie transparent machen, sodass andere uns verstehen. Doch wenn alte Verletzungen im Spiel sind

  • verbindet uns das subjektive Empfinden mit altem Schmerz.
  • Wenn der Schmerz zu groß wird, müssen wir ihn abwehren.
  • Um unsere eigene Haut zu retten, werten wir andere ab.
  • Die Abwertung tarnen wir mit Argumenten, die aber für das Urteil keine Rolle spielen. Das Urteil steht dann längst fest.

Ich persönlich gehöre eher zum Bindungstyp. Meiner Autonomie bin ich mir ziemlich sicher, ich kann mich einigermaßen mit Autoritäten auseinandersetzen und finde auch inmitten von Einschränkungen Spielraum für mich und meine Freiheit. Doch den inneren Kontakt zu anderen Menschen zu verlieren, das Erodieren des Zusammengehörigkeitsgefühls, eine drohende Trennung, das alles kann mich innerlich in Not bringen. Deshalb reagiere ich manchmal heftig auf Menschen, welche die Notwendigkeit von Rücksichtnahme in Frage stellten. Ich finde mich dann in einer Welt voller Egoisten und spätpubertierender Revoluzzer wieder. Wer andersherum gepolt ist, wittert womöglich überall unkritische „Schlafschafe“, die sich brav in das Schicksal ihrer eigenen Unterdrückung fügen.

Es hat eine gewisse Tragik, denn wenn wir unsere Perspektive nicht wechseln können, unterstützen wir unbewusst das, was wir befürchten. Wer die Coronamaßnahmen nicht versteht und unterläuft, beschwört strengere Verbote herauf. Wer kein Verständnis für die Not aufbringt, die der Lockdown mit sich bringen kann, provoziert dazu, auf die Schutzmaßnahmen zu pfeifen.

Kompromissfalle versus Intelligenz

Wir könnten aus den obigen Überlegungen folgern, dass Kompromisse angesagt sind: Maßnahmen ja, aber bitte nur halb so wild. Wäre das die Lösung?

Damit würden wir zwar beiden Perspektiven entgegenkommen, aber die reale Dynamik der Pandemie ausblenden. Diese schert sich nicht um unsere Traumata. Sie hat ihre eigene Gesetzmäßigkeit. Je besser wir diese verstehen, desto kompetenter können wir mit ihr umgehen. Und wir verstehen sie umso besser, je weniger unser Blick durch aktuelle Lebensumstände und alte Verletzungen getrübt ist.

Statt eines formelhaften, faulen Kompromisses ist Intelligenz gefragt. So könnte es sein, dass harte Maßnahmen am Anfang viel weitergehende Lockerungen möglich machen, als das sonst der Fall wäre, ohne das Gesundheitssystem zu überlasten. Die Strategien in Taiwan und Neuseeland sind Beispiele für ein solches Vorgehen. Das Gegenbeispiel bildet Schweden. Dort hat man auf strenge Verbote weitgehend verzichtet in der Hoffnung, die „Behandlung“ länger durchhalten zu können.

Mit welcher Strategie wir langfristig besser durchkommen, ist offen. Wie sich die Lockerungen auswirken werden, weiß niemand. Was wir uns aber bereits jetzt fragen können: Sind wir bereit, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Strategie unvoreingenommen zu prüfen? Oder suchen wir nur nach Bestätigung unserer vorgefassten Meinung?

Je intelligenter wir vorgehen, desto weniger brutal müssen wir vorgehen. Nicht allein auf einer Parkbank sitzen zu dürfen, zeugte nicht gerade von Intelligenz. Wirtschaftliche Folgen und dadurch ausgelöste Not zu unterschätzen ist auch wenig klug. Aber: Ist die möglichst schnelle Rückkehr zu ungebremstem Konsum- und Wachstumswahn überhaupt ein lohnendes Ziel? Wäre es nicht sinnvoller, existenzielle Nöte durch ein solidarisches Grundeinkommen abzufedern? Auch auf die psychischen Probleme, die durch das Abstandsgebot ausgelöst wurden können wir helfende Antworten finden, wenn wir kreativer werden als alles dicht zu machen.

Psychohygiene und Resilienz

Je mehr wir für unsere alten Verletzungen und deren Heilung die Verantwortung übernehmen, anstatt Muster blind auszuagieren, desto mehr Fähigkeiten entwickeln wir, die wir langfristig brauchen. Es ist ein Symptom von Trauma-Aktivierung, dass wir blindes Ausagieren auf andere projizieren. Trotzdem könnte an jeder Projektion etwas Wahres dran sein.

Das führt zu der interessanten Frage, die sich manche in diesen Zeiten vielleicht stellen: Wer durchschaut hier eigentlich wen? Wie unterscheiden wir traumagetriebene Selbstgerechtigkeit von umfassenderer Information, höherer Intelligenz und menschlicher Reife? Die Unterscheidung fällt nicht immer leicht, weil die Selbstzuschreibung letzterer Eigenschaften ein Symptom des ersteren ist.

Man könnte biblisch werden: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?

In jedem Fall dienen wir uns selbst am besten, indem wir uns vorrangig um unsere eigene Psychohygiene kümmern. Corona wird nicht die letzte und vielleicht auch nicht die größte Krise sein, die wir individuell und auch als Menschheit zu bewältigen haben.

Wie wir uns selbst helfen können

Wenn wir uns in einer unheilvollen Dynamik befinden: Wie können wir daraus aussteigen? Hier sieben Schritte, die ich für hilfreich halte:

  1. Wir halten inne, wenn wir heftiger reagieren, als es einer Situation angemessen scheint.
  2. Wir prüfen brisante Nachrichten und deren Quellen, bevor wir sie weiterleiten.
  3. Wir prüfen, an welcher Meinung wir stur festhalten und fragen uns: Wie sieht das Thema von der anderen Seite her aus?
  4. Wir nehmen uns Zeit für uns selbst und kümmern uns um unsere Selbstberuhigung.
  5. Wir verfolgen akute Trigger bis zu ihrem Ursprung in unserer Vergangenheit (Wie war das damals als Kind?).
  6. Wir suchen Unterstützung oder Wege der Heilung und bitten ggfs. um Hilfe.
  7. Mit offenerer Wahrnehmung und einer Bereitschaft zum Perspektivwechsel kehren wir in den Kontakt zurück.

Wenn wir auf diese Weise unsere „Hausaufgaben“ erledigen, garantiert das nicht, dass der Dialog mit Andersdenkenden wieder gelingt. Wenn wir Menschen begegnen, die ihre eigene Trauma-Aktivierung nicht anschauen wollen oder können, bleibt uns oft nur der Abstand. Oft wird aber ein fruchtbarer Dialog wieder möglich, wenn wir uns die eigenen Prägungen anschauen, anstatt sie auf andere zu projizieren.

Die eigentliche Auseinandersetzung um die bestmögliche aktuelle Krisenbewältigung ist damit allerdings längst noch nicht erledigt. Sie beginnt dann überhaupt erst.

Ausblick

In einem weiteren Text werde ich untersuchen, wie wir uns durch das Ausagieren unserer Kindheitswunden den Weg in die Hölle bahnen, und zwar indem wir

  1. eigenen Gefühlen soweit möglich zu entkommen suchen.
  2. Anderen böse Absichten unterstellen.
  3. eigene Wünsche und Absichten in Erwartungen verwandeln.

Der Weg aus der Hölle zurück ins pulsierende Leben gelingt, indem wir

  1. wohlwollenden Kontakt zu uns selbst herstellen.
  2. Bereitschaft entwickeln, die Motive anderer empathisch nachzuvollziehen.
  3. für die eigenen Absichten Verantwortung übernehmen, ohne daraus Erwartungen abzuleiten.

Unsere Verhaltensmuster spiegeln sich auch in unserem Verständnis von Spiritualität und Politik:

  1. Spirituell gesehen in der Polarität zwischen Egoismus und Altruismus
  2. Politisch gesehen in der Polarität zwischen Liberalismus und Sozialismus

Mehr dazu im nächsten Text. Ich hoffe, dass dir dieser Beitrag die eine oder andere Anregung gibt, die dich weiter bringt und freue mich über konstruktive Rückmeldungen.

Weiterführende Texte und Videos

Über Saleem Matthias Riek

Saleem Matthias Riek ist Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualtherapie, Tantralehrer, Diplom-Sozialpädagoge und lebt bei Freiburg im Breisgau. Saleem ist Autor mehrerer Bücher rund um Lust und Liebe, Tantra und Spiritualität. Bisher erschienen sind "Herzenslust" (auch als Hörbuch), "Leben, Lieben und Nicht Wissen", "Herzensfeuer", "Lustvoll Mann sein" und "Mysterien des Lebens". Weitere Bücher sind in Vorbereitung, u.a. eine Romantrilogie.
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37 Antworten zu Der Corona-Spaltpilz und seine Heilung

  1. Prashanti sagt:

    Danke für diesen Beitrag Saleem.
    Er trifft gerade meinen Nerv. Ich habe auch erkannt, dass die meisten extremen Positionen etwas mit den persönlichem Kindheitstraumatas zu tun haben. Nur war mir nicht klar wie ich damit umgehen soll.
    Meine eigene Angst davor, diese Menschen zu verlieren, war mir noch nicht so bewusst.

  2. Klara Zelenka sagt:

    Danke für die interessanten Anregungen. Ich fühle mich in vieler Hinsicht angesprochen. Zugleich merke ich, dass es mir Schwierigkeiten bereitet, mich in eines der Menschentypen einzuordnen. Ich neige eher dazu, mich (innerlich) heraus zu nehmen und „die Sache“ zu beobachten.
    Sehr hilfreich und einfühlsam finde ich die 7 Schritte, wie wir uns aus der eigenen Dynsmik befreien können….

  3. annett Ira sagt:

    Vielen Dank für das mehr an Klarheit und weniger Alleinsein. In meinem persönlichen Überlegungen zu meinem „Egoismus“ der überaus schuldbeladen in meine persönliche (Corona)Krise führte, habe ich mich viel mit dem Thema Würde und Verletzung derselben auseinandergesetzt. Würde erfordert Eigensinn. Dieser im Verlaufe meiner Biografie abhanden gekommene, machte mich krank. Im Wertequadrat der Entwicklungsrichtung wird empfohlen vom: Altruismus in den Eigensinn und vom Egoismus zum Gemeinsinn zu arbeiten. Werte, die sich nicht ausschließen in der Polarität sondern einander bedingen. Im Buch von Baer und Baer „Würde und Eigensinn“ , die die Aussage einer Klientin zitieren heist es:“Eigensinn betrachtet das Eigene mit Respekt vor den Grenzen anderer und kann abwägen,wo Verletzungen entstehen können. Egoismus kreist um das Eigene ohne Berücksichtigung dessen,was mit anderen ist. Das ist für mich der Unterschied“.
    Ich wünsche mir weiterhin gesunden Eigensinn UND die Besinnung auf die Allverbundenheit alles Seienden (Gemeinsinn).Vielen Dank für deinen brückenbauenden Beitrag.

  4. Claudia Iseler sagt:

    Danke für den traumainformierten wertvollen Beitrag. Ich bin auch dabei, einen zu schreiben.

  5. Dorothe Poggel sagt:

    Vielen vielen Dank für Ihre weisen Worte! Ich fühle mich gleichzeitig ertappt und tief verstanden. Trotz komplettem Psychologiestudium bin ich mir selbst nicht auf die Spur gekommen, warum ich bei den Diskussionen gerade so austicke, wenn ich Verschwörungstheorien zugeschickt bekomme. Vor allem ist es fantastisch, dass dieser Text zusammenführt statt zu polarisieren, da bräuchte es mehr davon, um die Chancen zur Umgestaltung, zu der uns die Corona-Zeit auffordert auch wirklich zu nutzen und die Entwicklung in positive Richtungen zu lenken. Nochmals ein herzliches Dankeschön!

  6. Judith sagt:

    Corona und Traumaaktivierung – ich war die letzten Tage so intensiv mit dem Thema beschäftigt, weil ich einen Text zum Thema transgenerative Traumatisierung und Corona veröffentlicht hatte. Und dann fiel mir dieser Blogartikel in die Hände, der so exakt zu meinen Gedankenbewegungen passt. Vielen Dank! Ich würde die Ängste von meiner Seite aus noch um „Angst vor Würdeverlust“ ergänzen. Das spielt zumindest bei mir eine sehr große Rolle, weswegen ich die Regelung, dass sich Sterbende nicht von Angehörigen verabschieden dürfen, ganz furchtbar finde. In Absprache mit Saleem hier auch der Link zum kleinen Hörspiel zum Text DAS ROSENKISSENMÄDCHEN UND DER KINDONKEL https://soundcloud.com/rifkaimwald/das-rosenkissenmadchen-und-der-kindonkel-1

  7. Christine Acquaviva sagt:

    Toller Beitrag! Vielen Dank dafür. Genau diese Beiträge brauchen wir gerade so sehr.
    Die Dynamik in dieser Krise zu erkennen und für sich einordnen zu können, gibt schon ein ganzes Stück an Autonomie zurück.
    Ich sehe da auch noch einen dritten Punkt in dieser Pandemie, der einen großen Einfluß hat: glaube ich, dass die Bundesregierung im Interesse des Gemeinwohles handelt oder glaube ich es nicht.
    Ich würde gerne noch zum Ausdruck bringen, wie es mir beim Lesen des Artikels ging: ich bin ruhiger geworden, habe tief ausgeatmet und mich ein ganzes Stück entspannt.
    Die Metaebene ist verdammt hilfreich, um sich in dieser Zeit nicht zu verlieren oder aus der eigenen Mitte zu purzeln 🙂

  8. Bettina sagt:

    Ja, das ist ein schöner Artikel, der etwas mehr zusammenbringt und erklärt. Ich muss ihn aber ergänzen um einen sehr wichtigen Punkt: Es geht nicht „nur“ um die Einschränkung der Grundrechte von Versammlungsfreiheit bei der Frage der Autonomie. Bei den bisher erlebten Einschränkungen der Autonomie wie Zuhausbleiben oder meine Mutter nicht im Krankenhaus besuchen können, bei der Maske oder sonstigem kann ich mit den 7 Punkten der Selbsthilfe gut weiterkommen . All das sind tatsächlich vorübergehende Einschränkungen, die ich hinnehmen kann. Ich kann das. Für manche ist auch die Maske schon ein Trigger für erlebte Gewalt.

    Ich weiß nicht, wie viele Menschen als Kind einen Krankenhausaufenthalt hatten, in dem sie isoliert und den Behandlungen ausgeliefert waren. Eine frühe und einschneidene Traumatisierung.

    Die Autonomie und Selbstbestimmung wird ganz extrem in Frage gestellt bei der Frage des Impfens. Diese Angst ist in mir aufgekommen.

    Es geht um eine Unversehrtheit des Körpers, die mit der Frage des Impfens ausgehebelt werden könnte, wenn ein Zwang beschlossen wird – direkt oder indirekt als Berufsverbot. Das empfinde ich als höchst Trauma triggernd.

    Die Angst, dass dem Körper zwanghaft und gewaltsam etwas angetan wird, das ich nicht will, lässt alle Panikreaktionen und Traumata hochfahren. Und das über lange Wochen. Es ist bei den derzeitigen Diskussionen nicht klar, ob die Angst davor berechtigt oder unberechtigt ist. Ob Proteste wirken oder schon gewirkt haben. Auch diese Ungewissheit über langen Zeitraum ist ein weiterer extremer Stressfaktor.
    All das ist höchst fordernd und lässt Statements wie „mach die Welt nicht verrückt mit deinen Verschwörungen“ für mich unerträglich werden. Wenn diese Angst berechtigt ist, was aber derzeit niemand wirklich weiß, dann muss ich etwas tun und brauche dabei Menschen, die auch handeln, um nicht allein dazustehen. Was ich nicht brauchen kann, ist, dafür angegriffen zu werden.

    • Danke für die Rückmeldung.
      Impfen scheint in der Tat für einige ein sehr starker Trigger zu sein.
      Ich bin darauf im Text bewusst nicht eingegangen, weil dieses Thema einen besonderen und achtsamen Raum braucht.
      Auch bei diesem Thema halte ich es für ratsam, zuerst die „Hausaufgaben“ zu machen und zu ergründen, was in der eigenen Einstellung und Geschichte diesen Trigger emotional auflädt. Dann sind wir besser in der Lage, reale von projizierten Bedrohungen zu unterscheiden, einen angemessenen Umgang damit zu finden und offen und ohne gegenseitige Vorwürfe über das Thema zu kommunizieren.

    • Mina sagt:

      Ein wichtiger Hinweis. Aber wenn ich den letzten Abschnitt lese, habe ich den Eindruck, dass sie in ihrem Trauma „steckenbleiben“.
      Sie merken, die Angst vor dem Übergriff auf den eigenen Körper ist trauma-triggernd. Aber sie wälzen dann die Frage, „ob diese Angst berechtigt ist“ und sind verunsichert, weil das „Derzeit niemand wirklich weiss“.
      Merken sie was? Die ANGST ist immer berechtigt! Die ist ihr ureigenes Gefühl, auf das sie ein Recht haben. Und die Verunsicherung ist schwer auszuhalten. Aber nichts davon ist ein Hinweis darauf, was passiert, wenn die berechtigte Angst machende Realität tatsächich eintritt. Wenn sie jetzt geimpft werden: Was wird dann passieren? Welche schrecklichen, vernichtenden Folgen hätte das? Sie wären mit ihrer Kindheitsangst konfrontiert. Aber gibt es einen Grund, echte, reale Panik vor der Impfung zu haben? Nein, den gibt es nicht. Geimpft zu werden ist anspruchsvoll für ihre Emotionen, aber sie sind fähig, das zu bewältigen. Und (sofern nicht wirklich ein krasser ärtzlicher Kunstfehler passiert) wird ihnen eine Impfung nicht schaden. Sie haben Angst vor der Angst, die allenfalls kommen könnte. Dies hilft ihnen nicht, differenziert mit der Realität umzugehen.

      • Bettina sagt:

        Ah ja, genau das sehe ich anders. Ob mir eine Impfung schaden wird, das habe ich für mich selbst entschieden. Ich will und werde mich nicht impfen lassen, habe mein Kind nicht impfen lassen, nämlich WEIL ich der Impfmedizin nicht traue. Ich habe gerade wieder die Statistik des Staates über die Ausgaben zu Impfschäden gelesen. Bisher war das meine eigene Entscheidung und mein eigenes Risiko, mich nicht impfen zu lassen. Die würde mir dann genommen, wenn es keine freie Impfentscheidung mehr gäbe. Fatal für mich. Genau das triggert mich immer wieder. … Und schon sind wir wieder bei Argumenten statt der Geschichte der Menschen zu lauschen.

  9. Raghu, K-H Bender sagt:

    Auch ich finde den Beitrag sehr hilfreich. Als Traumatherapeut kenne und sehe ich natürlich auch zuerst das Thema Aktivierung von alten Traumata.
    In zweiter Linie fand ich es wichtig, zu sehen, dass die Hauptsache bei den Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden war, sich gegenseitig zu versichern ,dass man sich als Mensch achtet- klingt banal, ist es aber oft nicht gewesen.
    Für mich persönlich ist ein Hauptaspekt, wie und aus welchen Quellen ich mich informiere. Wenn ich glaube, dass dieses Virus 100000de Tote in Deutschland verursachen wird ( wie anfangs behauptet oder befürchtet), dann ist es schon sehr schwierig ruhig zu bleiben…Wenn ich sehe wie kritischere Stimmen gebasht und ignoriert werden, und eine offene Diskussion nicht geführt wird, ist das auch nicht grade eine Beruhigung. Jedenfalls hat die ganze Sache viel mit Angst (-mache) zu tun.
    …und bei all dem Schlimmen und Unschönen was passiert, gibt es auch sehr viel Gutes sozusagen als Kolateraleffekt: Viele Menschen haben viel Zeit für sich und zum Reflektieren…Man fühlt und erfährt, was wichtig ist und was nicht. Wer bin ich wenn viele Ablenkungsmöglichkeiten wegfallen usw…und man lernt manche guten Freunde nochmal von ganz anderen Seiten kennen…

    • „Wenn ich sehe wie kritischere Stimmen gebasht und ignoriert werden, und eine offene Diskussion nicht geführt wird, …“
      Das scheint mir eine unzutreffende Darstellung der Situation zu sein. Es gibt ja kaum etwas, was derzeit nicht öffentlich behauptet wird. Und was der eine als berechtigte Kritik versteht (=meist die eigene), bezeichnet der andere als Bashing (=die Kritik der anderen). Womit wir wieder beim Thema des Textes wären. Und bei der Frage: Wer durchschaut hier eigentlich wen?

    • Mina sagt:

      mich stört auch, dass es bei corona so im ungefähren bleibt, was „kritische Stimmen“ sind. Einen einzelnen Regierungsentscheid kritisieren, eine Regierungsstrategie kritisieren von mir aus, darauf hinweisen, dass bestimmte medizinische oder psychosoziale Aspekte nicht oder zu viel oder zu wenig berücksichtigt werden, das alles scheint mir differenzierte Kritik. Aber es scheint eine wachsende Zahl von Menschen zu geben – und erschreckenderweise auch sehr gebildete Menschen – die unter „kritisch mit corona umgehen“ zu verstehen scheinen, einfach allgemein ablehnen, dass Corona eine anspruchsvolle, komplexe Realität ist, mit der wir irgendwie umgehen müssen, auch wenn niemand wirklich weiss, wie. Daraus resultiert dann, die Existenz des Viruas allgemein zu leugnen, überhaupt alle Aussagen von Politikern anzuzweifeln, jede Haltung oder Handlung im FReundeskreis zu hinterfragen – und pauschal zu behaupten, alle „Andersdenkenden“ würden von den „Schlafschafen“ „gebasht“.
      Bitte: Solange mir jemand nicht erläutert, in welchem Punkt genau er/sie „anders“ denkt und was dieses „anders“ umfasst, ist es sehr schwierig für mich, diese Person ernst zu nehmen. Dann wirkt das auf mich wie passiv-aggressive Verdrängung.

  10. Nadialaura sagt:

    Lieber Saleem
    Danke vielmals für deinen Beitrag. Es hilft mir so mein Gefühl und Gedanken zu ordnen und sprichst mir aus dem Herz. Aus meiner Mitte. Nur die diffusen Ängste und das Einordnen und verbalisieren fehlte mir. Danke tausendmal.

  11. Günther Gradert sagt:

    Das ist ein echt toller Artikel. Wow. Ich bin echt geflasht. Das ist super analysiert!!!

  12. Timo Ollech sagt:

    Offenbar sind die Leute vom Robert Koch-Institut auch traumatisiert, wenn sie gerade jetzt mitten in der Pandemie wichtige Daten unter Verschluss halten: https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-Daten-unter-Verschluss-RKI-bremst-Diskurs-aus,rki118.html
    Das passt natürlich voll ins Bild einer traumatisierten Gesellschaft…

    • Mina sagt:

      Moment mal. wenn man den Artikel richtig liest, dann tut das RKI gerade gründlich seine Arbeit und hat offenbar auch aus Kritik gelernt, seine Arbeit angepasst, und macht seine Resultate öffentlich. Das einzige was es nicht tut, ist riesige Datensätze „einfach so“ herauszugeben an „Datenjournalisten“. Was soll das denn sein, ein „Datenjournalist“ ? Um mit diesen Datensätzen umzugehen, muss man wohl mindestens eine fundierte Ausbildung in Statistik haben, wenn nicht gerade Epidemiologie. Die Anzahl Journalisten, die sowas können, lassen sich wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Und damit ist noch längst nicht klar, dass diese auf andere Resultate kämen als das RKI – die Chance ist gross, dass sie alles sie alles nachrechnen und auf das gleiche herauskommen.
      Der Artikel konstruiert einen Verdacht und insinuiet ein viel grösseres Fehlverhalten, als eigentlich da zu sein scheint. Das passt vielleicht weniger ins Bild einer traumatisierten Gesellschaft als das einer klickgeilen Gesellschaft.

  13. Kurt Winterstein sagt:

    Ich bin ein bisserl verblüfft, dass ich, wenn ich Fehlleistungen der Regierung kritisiere, eine Art Offenbarungseid schwören muss, dass ich glaube, dass das Virus existiert und dass es gefährlich ist. Kommt mir vor, als ob ich beschwören müsste, dass ich nicht an die Scheibengestalt der Erde glaube. Im Wesentlichen bin ich mit den Maßnahmen, die gesetzt wurden , einverstanden, aber die Intransparenz, das verfassungswidrige Vorgehen, die Übergriffe der Exekutive, die müssen doch angeprangert werden.
    Ja Kurz hat Recht, wenn er die ÖsterreicherInnen so einschätzt, dass sie eher aus Angst als aus Einsicht und auf Grund ihrer Intelligenz agieren. Aber es ist tragisch, dass er Recht hat und er hatte ja auch eine Generalprobe, die Flüchtlingen schlicht und einfach das Leben gekostet haben. Wehret auch diesen Anfängen.

  14. Joachim Born sagt:

    Lieber Saleem,
    danke für die wieder-verbindende Erläuterung der inneren Kriterien zur Bewertung der äußeren Beobachtungen.
    Zur Ergänzung der Betrachtung schlage ich vor, auch den Prozess der Erkenntnisgewinnung zu betrachten: um zu entscheiden, ob etwas richtig ist, (oder ob etwas trivial oder ob es eine Verschwörungstheorie ist) sollten wir unseren inneren Erkenntnis-Prozess kennen, der die Plausibilität prüft. Was ist plausibel und vertrauenswürdig?
    herzliche Grüße von Jo
    Kognitionspsychologe John Vervaeke erklärt es auf youtube:
    https://www.youtube.com/watch?v=rvx4_0NAfaY
    Awakening from the meaning crisis Episode 12
    Plausibility etwa ab Minute 35, Conspiration theories ab Minute 42, Science ab 46

  15. Einer der besten Beiträge dieser Zeit, danke für diese Zusammenfassung.

  16. Mariam sagt:

    Danke Saleem,
    für diesen erhellenden Artikel. Jetzt verstehe ich, warum mich die „andere Meinung“ so fassungslos macht. Ja, sie aktiviert meine Traumaerfahrung. Das wurde mir erst beim Lesen bewusst. Ich habe zwar „meine“ typischen Stresssymptome beobachtet, aber nicht spüren können, warum sie da sind.
    Dein Artikel zeigt mir den Weg, wie ich sowohl meine Einstellung, als auch die Einstellung anderer Menschen wieder gleichberechtigt nebeneinander sehen kann. Das ist wirklich ein Aha-Erlebnis.
    Herzliche Grüße und bleib gesund.
    Mariam

  17. Qniemiec sagt:

    Danke für diesen sehr aufschlussreichen, angesichts der allgemeinen Aufgeregtheit wohltuend unaufgeregten Artikel. Und so wie ich’s für mich selbst einst in die Worte „Immer wenn’s mehr Feuer gibt als Holz hineingeworfen wurde, brennt da irgendwas aus der Vergangenheit mit.“ fasste, unterscheiden auch Sie, wenn ich’s recht verstehe, zwischen sowas wie einer „angemessenen Reaktion“ auf eine tatsächliche Bedrohung und einer „Überreaktion“, bei der (außerdem) irgendwelches altes Narbengewebe wieder an- und aufgerissen wird. Und Zeit heilt ja leider – entgegen dem weit verbreiteten Sprichwort – nicht wirklich Wunden, sondern vernarbt sie lediglich, damit man irgendwie weiterlebt. So wie auch Traumata wohl lediglich vernarbte, doch nicht wirklich verheilte Verletzungen der Seele sind. Doch wo ist da die Grenze? Ich selber gehöre ja noch der Nun-hab-dich-mal-nicht-so-Generation an, wo es als „angemessen“ galt, Schmerz und Verletzung bestenfalls mit einem Tränchen im Augenwinkel zu wegzustecken, also zu jener Gruppe, die Sie in Ihrem Artikel als durch zuviel Autorität traumatisiert beschreiben. Bis wann ist es da dann allerdings wieder „nur“ ein Abarbeiten „irgendwelcher privater“ Kindheitstraumata, „nur“ ein „postpubertäres Armdrücken mit den eigenen inkompetenten Eltern“, wenn man gegen ein erneut als zuviel empfundenes Maß an Autorität „auf die Palme (oder die Straße) geht“, ab wann dagegen „angemessen“? Wobei ich sehe, dass sich dieser Spalt zwischen den beiden Lagern – so wie der zwischen den Anhängern und Gegnern von Donald Trump in den USA – immer mehr verfestigt, schon beinahe an den Grabenkrieg im Ersten Weltkrieg zu erinnern beginnt, wo sich auch beide Seiten jahrelang beschossen und schwere Verluste zufügten, ohne dass sich am Frontverlauf wesentlich etwas geändert hätte. Brennt da vielleicht auch im Moment wieder allzu viel aus der Vergangenheit mit?

  18. Ich freue mich, dass dieser Artikel offenbar vielen Leser*innen wertvolle Anregungen geben konnte. Danke für die Rückmeldungen, von denen einige hier als Kommentar gepostet wurden. Ich schaffe es nicht, alle individuell zu beantworten.

    In den letzten Tagen erreichten mich zwei Kommentare (siehe unten), die kritisieren, ich würde von der Voraussetzung ausgehen, dass überhaupt eine Pandemie existiert. Das Gegenteil sei doch „bewiesen“.

    In der Tat gehe ich davon aus, dass die Pandemie existiert, und ich werde auf meinem Blog keine Plattform bieten für die Behauptung, dass dies ein Fake oder Teil einer Welt-Verschwörung sei.

    Mir ist bewusst, dass manche dies als Beschränkung der Meinungsfreiheit klassifizieren. Das halte ich für ein Missverständnis. So würden wohl auch die meisten akzeptieren, dass ich keine Plakate an meiner Hauswand dulden würde, die mir nicht passen. Es gibt Grenzen für Kommentare auf meiner Plattform.
    Es gibt andere Medien, die alle möglichen – auch aus meiner Sicht gefährliche – Thesen veröffentlichen. Dieser Blog steht dafür nicht zur Verfügung.

    Zur Sache: Fast zeitgleich erreichte mich gestern die E-Mail von einer Freundin, die die Gefahr von Corona konkret erlebt und mir erlaubt hat, daraus zu zitieren.
    Persönliche Berichte werden niemand überzeugen, der etwas nicht glauben will (obwohl von dieser Seite gerne gefragt wird: „kennst du denn überhaupt jemanden …?“ Wenn man jemanden kennt, lässt das Interesse da sehr schnell nach).
    Es gibt hier vielleicht Leser, denen dieser Bericht hilft, sich in die Situation von Risikogruppen einzufühlen. Hier ist er:

    „Was Corona betrifft, bin und war ich durch meinen bisherigen Minijob mitten im Geschehen.
    Im Seniorenheim hat die Pflegedienstleitung große Fehler gemacht, und ich habe z.B. noch bis in die 3. Märzwoche im Gemeinschaftsraum Montags und Dienstags Gruppenarbeit ( z.B. Singen) mit den dementen Senioren angeboten, um die Pflegekräfte für ein paar Stunden zu entlasten. Das ohne Mundschutz und Abstand.
    Es fühlte sich für mich schräg und seltsam an, aber ich fühlte mich als kleinstes Rädchen im Geschehen, und habe meine Bedenken nicht geäußert.
    Das Ergebnis: 4 von den 9 Alten, mit denen ich gesungen und gespielt habe, sind an Corona erkrankt. 3 davon sind verstorben, die 4. Frau hat massiv abgebaut, und will nicht mehr aus dem Bett.
    Mit allen 3 verstorbenen Menschen hatte ich eine intensive Beziehung in den letzten Monaten aufgebaut, und es sind wirklich persönliche Verluste für mich.
    Bei einer dementen Frau ist der Ehemann (auch an Corona) mit verstorben, den ich auch kannte, nur nicht so nah.
    Jetzt ist eine neue Pflegedienstleitung im Seniorenheim und jeder wird jetzt auf seinem Appartement betreut. Im Moment gibt es keine Infizierten mehr von den Bewohnern und den Mitarbeitern.
    Ich schreibe das so ausführlich, weil ich wohl eine von den Wenigen bin in meinem Dunstkreis, die das so hautnah miterlebt hat. Mir kann man nicht mehr erzählen, dass Corona nicht gefährlich sei und die Hygienemaßnahmen ungerechtfertigt.“

    Zitate aus unveröffentlichten Kommentaren:

    Zitat 1
    „Gleichzeitig … blendet (der Autor) völlig aus, dass es klare, leicht zu überprüfende offizielle Zahlen und Grafiken gibt, die diese Inszenierung entlarven und bloßstellen – eine teuflische Inszenierung, die gerade dabei ist, den Planeten grundlegend zu verändern!
    Und ich bleibe dabei:
    Wer nachweislich über ein gewisses Maß an Grundintelligenz verfügt, und zu diesem Zeitpunkt immer noch die Pandemie-Lüge verteidigt, verdrängt im harmlosesten Fall die Realität oder ist Teil der Inszenierung.“

    Zitat 2
    „Die beiden Sichtweisen, die du uns dargelegt hast sind immer im Zusammenhang mit der Tatsache, dass man davon ausgeht, dass es wirklich eine Pandemie. Und mittlerweile gibt es unzählige Beweise, dass dem nicht so ist.“

    Unabhängige Faktenchecks zu Corona

  19. Peter sagt:

    Lieber Saleem,
    herzlichen Dank für den Text inklusive der weiterführenden Links, die mich jedoch wieder viel zu lange vom Fluss des Textes ablenkten. Natürlich waren die Links schuld und nicht ich. Interessant die Gratwanderung der Selbstbetrachtung, ohne in Ab- oder Überbewertung der eigenen Person abzugleiten. Auch das Gewicht auf das Wesentliche, nämlich nicht die Existenz von Pandemie oder Verschwörungen zu legen, sondern auf die Wahrnehmung unserer eigenen Reaktion und der der anderen, ist gut gelungen. Leite ich gerne weiter als Link.

  20. Matthias sagt:

    Lieber Namensvetter,

    ich liebe es wenn „schlaue“ Menschen ihr Wissen überś Menschsein teilen und sich dabei so punktgenau ausdrücken können, wie ich dich lese.

    Ich fühle mich sogar ertappt!

    Corona ist nicht mein Thema, ich bin dort mit dem meisten recht rund.

    Deine Worte sind für mich der Augenöffner in einer Trennung, in der ich hinter Scham meinen Schmerz nicht spüre (neuThema), und Umgangsstrategien anwende die du unter „Aussicht“ als Weg in die Hölle beschreibst.
    Die Lösung direkt darunter, whaow…
    Dies ist nur ein Beispiel.

    Der gesamte Text ist an vielen Stellen für mich eine Stütze im Reflektieren meiner Schmerzmotivationen und einer möglichen Befreiung.

    Ich bin dankbar

    Herzlich
    Matthias

  21. Lieber Saleem,
    neben der persönlichen Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus oder der Maßnahmen und jenseits von traumabedingten Reaktionen kann die eigene Haltung zur Corona-Krise auch ein Ausdruck davon sein, welches Menschen- und Weltbild ich habe und welche menschlichen Werte ich wie gewichte.
    Für mich stellen sich die offiziellen Corona-Maßnahmen so dar: Wir leben scheinbar in einer Welt, in der wir uns fast nur noch auf das körperliche Funktionieren beschränken. Der Umgang mit Krankheit wird auf das Körperliche reduziert, seelische Gesundheit und ihre Wirkung auf die körperliche Gesundheit wird völlig außer acht gelassen. Unzählige Maßnahmen sind entgegengesetzt zu allem, was uns gesund macht und das Immunsystem stärkt. Kontaktverbote, besonders zu alten Menschen und zu Kindern und bei Kindern untereinander, halte ich für unmenschlich und entwürdigend, wenn sie von den Betroffenen nicht selbst gewünscht sind. Lebensqualität scheint gegenüber unserer Angst vor dem Tod keine Bedeutung zu haben.
    Es ist die Frage, wie sehr wir Krankheit und Tod, die grundlegend zum Leben gehören, nicht mit allen Mitteln bekämpfen, sondern mit solchen, die mit unserer Lebensfreude vereinbar sind.
    Hätten wir ein wirkliches Killervirus, fände ich auch noch weit strengere Maßnahmen angemessen. Im derzeitigen Fall ich bin allerdings überzeugt, dass die Maßnahmen mehr menschliche Schäden anrichten als die zu verhindernde Krankheit. Da beides aber unterschiedlicher Natur ist, lässt sich das nicht „ausrechnen“, sondern bleibt das immer eine persönliche Einschätzung.
    Wenn ich zur „Risikogruppe“ gehören würde, würde ich trotzdem nicht möchten, dass Kinder über einen so langen Zeitraum in ihrer natürlichen Entwicklung (so sehr) behindert werden und dass so maßlos viele Ressourcen (die irgendwann an anderer Stelle fehlen werden) dafür aufgewendet werden, mein Risiko an diesem Virus zu sterben gegen null zu drücken. Es gibt viele „Risikomenschen“, die das auch so sehen.
    Seit Wochen ist die Rate der positiv Getesteten gleichbleibend unter 1% und entspricht damit ungefähr der Ungenauigkeit der verwendeten Tests und es gibt kaum mehr Todesfälle. Trotzdem wird die Alarmstufe hoch gehalten. Ich kann das nicht nachvollziehen.

    • Lieber Eduard, danke für das Teilen deiner Gedanken. Einiges davon teile ich, wie z.B. dass der Blick auf unsere Gesundheit oft viel zu einseitig aufs Funktionieren ausgerichtet ist. Du schreibst offen: „Ich kann das nicht nachvollziehen.“ Genau das wäre aber wichtig, dass wir die Sichtweise und das Handeln anderer nachvollziehen können oder dies zumindest versuchen. Denn nur dann können wir sinnvoll kommunizieren. Leider machen sich viele nicht die Mühe, die Maßnahmen nachzuvollziehen, sondern kämpfen blind dagegen an. Das halte ich nicht für hilfreich.

      • Lieber Saleem,
        ich kann sehr wohl viele der Sichtweisen auf Regierungsseite nachvollziehen, auch wenn ich vieles nicht richtig finde. Mein „nicht nachvollziehen können“ bezieht sich lediglich auf die gegenwärtigen Aussagen der Regierung, dass wegen (scheinbar) steigender Infiziertenzahlen das Infektionsgeschehen wieder zunehmen würde und wir deshalb wieder vorsichtiger sein müssten. Dabei ist aus den Tabellen des RKI deutlich sichtbar, dass die Infiziertenzahlen durchschnittlich ungefähr in dem Maße zunehmen wie die Anzahl der Testungen und wir deshalb seit Wochen eine mehr oder weniger gleichbleibende Rate an positiv Getesteten haben. Das Infektionsgeschehen nimmt also durchschnittlich in Deutschland gesehen nicht zu.
        Noch entscheidender ist aber, dass die Rate der positiv Getesteten unter 1% liegt. Bei einer so niedrigen Infiziertenrate werden die positiven Testergebnisse sehr unzuverlässig, was in der Vergangenheit auch schon mehrere offizielle Personen selbst gesagt haben und deshalb von Massentestungen abgeraten haben, u.a. Herr Spahn selbst am 14.06. in der ARD oder Bundeskanzleramtschef Helge Braun vor längerer Zeit in einer Sendung von Markus Lanz. (Zu Vortestwahrscheinlichkeit unter 1% siehe auch den „Faktencheck“ von correctiv.com: https://correctiv.org/faktencheck/2020/08/17/aerzte-fuer-aufklaerung-verbreiten-in-ihrer-videokonferenz-irrefuehrende-behauptungen-ueber-covid-19 ). Bei einem so geringen Infektionsgeschehen (1%) wäre es grundsätzlich auch möglich, dass nahezu alle positiven Tests falsch positiv sind, es also gar keine Infizierten gibt. Auf jeden Fall ist aber die Mehrheit der positiven Testergebnisse falsch positiv. Trotzdem werden jetzt genau solche ungezielten Massentestungen (an symptomlosen Menschen) gemacht (zuletzt über 800.000 pro Woche). Dafür sind die PCR-Tests nicht geeignet.
        Was ich nicht nachvollziehen kann ist, warum diese Massentests dann trotzdem gemacht werden und warum nicht wenigstens dazu gesagt wird, dass die generierten Zahlen sehr sehr unsicher sind. Am ehesten kann ich vermuten, dass mit diesen Zahlen einfach die Alarmbereitschaft der Bevölkerung hochgehalten werden soll.

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