Seit den Vorkommnissen in der Silvesternacht will ich die Geschlechtsgenossenschaft aufkündigen. Wenn Mannsein ein Land wäre, ich würde fliehen. Ich würde irgendwo Asyl beantragen und mich bereitwillig den Gepflogenheiten des Gastlandes anpassen. Aber wer würde mich aufnehmen? Obwohl ich vollkommen harmlos bin, vor mir braucht man (oder frau) doch keine Angst haben! Aber wie glaubwürdig ist das wohl in Zeiten, wo sich Nazis und Hooligans als Rächer entehrter Frauen aufspielen?
Pfefferspray wird knapp, titelt heute der Lokalteil der Badischen Zeitung. Allerorten ausverkauft und auch der Nachschub stockt. Auf dem großformatigen Foto wird eine Sprühdose gezeigt, das Kleingedruckte verrät Erstaunliches: „Zur perfekten Hundeabwehr“. Hunde??? Ich, ähh, also, ich hatte gedacht, nach den Ereignissen in Köln…
Aber dann fällt mir ein, was schon meine Recherche zum Buch „Lustvoll Mann sein“ zutage förderte: „Männer ticken wie Hunde“. Wir fanden damals gleich eine Reihe passender Ratgeber, allen voran „Herbert, sitz! Männer sind wie Hunde. Ein Erziehungsratgeber.“ Auf dem Backcover dieses bahnbrechenden Werkes heißt es: „»Herbert, sitz!« gibt wertvolle Tipps für jede Lebenslage und liefert einen unschätzbaren Beitrag zum tiefergehenden Verständnis zwischen Frau und ihrem Zweibeiner.“
Tieferes Verständnis, ja, das wär’s. Was war da los in Köln? Sind diese nordafrikanisch-arabischen Zweibeiner einfach schlecht erzogen? Schwer erziehbar? Aus dem Heim ausgebrochen?
Ein dubioses Portal namens „Muslim Stern“ geht in seiner Analyse noch einen Schritt weiter: „Generell trägt die Frau aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Verantwortung, wenn sie sich aus dem Haus begibt. Man kann nicht vor einem Löwen eine nackte Antilope werfen und erwarten, dass bei dem Löwen sich nichts regt.“
Aus deren Sicht sind Männer also Löwen, keine Hunde. Das erklärt natürlich das Phänomen schlechter Manieren. Einen Löwen erzieht man weitaus schwerer als einen Hund, wobei das sehr auf die Rasse ankommt (auch wenn diese Aussage politisch unverzeihlich ist).
Doch wer trägt für das massenhafte Erziehungsversagen die Verantwortung? Es ist soviel die Rede davon, dass Opfer nicht beschuldigt werden dürfen, aber was kann man (oder frau) von einem Tier denn schon erwarten? Die Ärzte besangen den Mann schon vor Jahrzehnten als Schwein. Machte die Sache auch nicht wirklich besser, oder?
Ich bin meiner Mutter so dankbar, dass sie bei meiner Erziehung nicht versagt hat. Ich würde all diese Abscheulichkeiten, die sich manche meiner Art-, ich meine Geschlechtsgenossen herausnehmen, niemals tun. Die Wut, die meine Dressur in meinen Kindertagen zuweilen in mir hervorgebracht hat, wurde von meiner Mutter ebenfalls elegant entsorgt. „Matthias hat wieder sein Wütchen!“ hieß es. Beschämung ist ein seeehr effektives Erziehungsmittel! Den Rest besorgte meine Schwester, zur Zeit meiner Pubertät reinrassige Feministin mit kurzen roten Haaren und allem, was dazu gehört.
Also, es gibt sie, Männer, die gut genug erzogen sind, dass sie Frauen als menschliche Wesen würdigen und sie weder dumm anmachen noch lechzend und geifernd an ihnen herumschnuppern. Manche dackeln dann allerdings so treudoof hinter ihrem Frauchen hinterher, dass diese sich doch heimlich nach einem Löwen sehnt. Oder nach einem Bären? Einem Hengst? Hoffentlich macht sie keinen Bock zum Gärtner ihres Garten Eden. Dann schon lieber einen Tantriker. Aber die sind manchmal Wölfe im Schafspelz! Und dass ich ein echtes Schaf bin, das glaube ich doch selbst nicht!
Also, liebe Leserinnen und Leser, ihr seht mich restlos ratlos. Dann gibt es noch diese perfide Stimme in meinem Hinterkopf (sie klingt irgendwie wie meine Mutter): Über ein so ernstes Thema macht man keine Witze!“ Und meine innere Schwester sekundiert: „Typisch Mann. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, zieht er alles ins Lächerliche.“
Schachmatt. Ich bin auf dem Hund. Haben Köter irgendwo Anrecht auf Asyl?
Danke, Saleem!
Habe gestern Deinen Blog-Eintrag gelesen. Noch vorgestern hatte ich gedacht, was Du wohl zu den Ereignissen und die öffentliche Folgeverarbeitung zu sagen hättest, die mich sehr aufrühren und gleichzeitig resignieren lassen.
Ich könnte versuchen, was kluges abstraktes dazu zu schreiben aber darum geht’s mir nicht. Ich will teilen, was es in mir persönlich auslöst.
Ich reagiere besonders wütend, wenn die einfache Gleichung von Frauen als Opfer und Männern als aggressive Triebtäter aufgemacht wird. Ich denke an all die Strafen, die der „kleine“ Leo von seiner Mutter kassiert hat und wie er dachte, er habe es verdient. Heute bin ich mir ziemlich sicher, dass es bei den „präventiven“ Erziehungsmaßnahmen meiner Mutter, um aus mir einen zivilisierten Mann zu machen, auch um die Soldaten ging, die sie im Krieg vergewaltigt und gezwungen haben der Massenerschießung ihrer Patienten beizuwohnen. Ich wage zu behaupten, dass ihre Maßnahmen damals nicht im Einklang mit der Genfer Konvention standen, selbst wenn es die Soldaten und nicht mich getroffen hätte.
Ich stehe der gedankenlosen Leichtigkeit mit der im allgemeinen Diskurs das Bild des Mannes als DER Täter und DER Frau als Opfer angesichts meiner eigenen – sicherlich nicht repräsentativen aber halt meiner persönlichen Erfahrung entsprechenden Geschichte – mit einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber. Wenn hieraus irgendwelche Forderungen ggü. „den“ Männern abgeleitet werden – dann fühle ich besonders viel Wut.
Andererseits bin ich mir auch ziemlich sicher, dass einige meiner sexuellen Phantasien deutlich über dem liegen dürfte, was sich in Köln abgespielt haben mag. Auch kann ich mich an eine Begebenheit aus der 4. Klasse erinnern, als eine Schülerin von 2 Jungen betatscht und gegen ihren Willen abgeküsst wurde. Ich war Teil der umstehenden Menge. Einerseits hatte ich Mitleid mit ihr und war empört und dachte „das geht so nicht“. Anderseits hatte ich gleichzeitig das Verlangen sie auch zu begrapschen und war sexuell erregt.
Was bleibt? Ich hoffe, dass ich den Weg durch dieses Dickicht finde und nicht der kurzfristigen Befriedigung verfalle, die aus der Rolle von Opfer oder Täter kommen mag.
Viel schöner finde ich die Vision von Männern und Frauen, die sich in all ihren Aspekten aufrichtig begegnen. And thx for all the fish.
Wer wird denn jetzt gleich flüchten wollen? Genau solche Männer brauchen wir doch jetzt. Wir brauchen jetzt den Mann, der den Weg bereits vorangegangen ist, den andere eben noch nachholen werden. Auch mich berühren die Ereignisse ganz stark und ich habe mir Gedanken dazu im Blog gemacht.