Frauen und Männer – wie kommen sie zusammen?

Seit vielen Jahren kann ich in meiner Arbeit wunderbar beobachten, wie Frauen und Männer mit den Themen Liebe und Sexualität umgehen, wie sie sich begegnen, sich verstehen und manchmal auch missverstehen. Ich neige nicht dazu, daraus eine Prinzipienfrage zu machen, aber es lohnt sich, immer mal wieder hinzuschauen und den Unterschieden wie den Gemeinsamkeiten der Geschlechter nachzuspüren.

Auch Eva und das Abenteuer-Eros-Team haben sich aus gegebenem Anlass dazu Gedanken gemacht, daraus ist der folgende Text entstanden.

Es scheint kein Zufall zu sein. Im Unterschied zu den meisten anderen Veranstaltungen der Schule des Seins melden sich für das „Abenteuer Eros“-Festival erneut mehr Männer an. Um das Verhältnis der Geschlechter bei diesem Event ausgeglichen zu halten, mussten wir beim letzten Mal einigen Männern absagen. So schade! Wir nehmen das immer wieder mal zum Anlass, der Frage nachzugehen, wie sich die Bedürfnisse und Wünsche von Männern und Frauen womöglich unterscheiden, wenn es um Liebe und Eros geht. Wir, die 3 Frauen und 3 Männer im Leitungsteam, haben viel über dieses spannende Thema diskutiert. Es folgen einige unserer und meiner (Eva) Gedanken dazu.

Wollen Männer Sex und Frauen Liebe?

Das ist der erste Punkt, der uns einfiel und der die üblichen Klischees erfüllt. Aber stimmt das wirklich? Also, auch ich als Frau interessiere mich für Erotik und Sexualität, nicht nur für Liebe. Und Eros fängt schon viel früher an, als miteinander ins Bett zu gehen. Erotik ist für mich ein Spiel mit Möglichkeiten, ohne dass es überhaupt explizit werden muss. Sehnen wir uns nicht alle irgendwo nach einem spielerischen erotischen Umgang, bei dem wir uns immer freier entfalten können? Was brauchen Frauen, was brauchen Männer dafür, sich auf dieses „Abenteuer“ einzulassen? Ein sicherer Rahmen mit jederzeitigem Respekt für Grenzen ist wahrscheinlich für beide Geschlechter wichtig. Gegeben ist das durch Menschen, die „den Raum halten“, wie man so sagt. Ist das für Frauen vielleicht noch etwas wichtiger als für Männer? Was meinst du?

Erinnerte das Coverbild ans Rotlichtmilieu?

Wir haben auch über das Foto auf dem Flyer diskutiert. Ich als Frau fand roten Samt als Hintergrund gleichzeitig kuschelig und verheißungsvoll. Manche erinnerte das allerdings ans Rotlichtmilieu, eine Assoziation, die wir sicher nicht wecken wollen. Es geht ja gerade nicht um ein abgespaltenes Ausagieren sexueller Gelüste, sondern um die bewusste Integration von Eros in unser Leben und unseren Alltag. So haben wir den farbigen Samt durch klares Holz ersetzt, als Symbol für einen stabilen Boden, den wir für das Event anbieten wollen.

Was braucht es, dass sich Frauen sicher genug fühlen?

Zurück zum Thema Wünsche und Grenzen. Wir haben im Laufe der vergangenen Veranstaltungen immer wieder betont und ermutigt, dass jede(r) jederzeit Nein sagen kann. Aber manchmal ist das leichter gesagt als getan. Auch ich habe Situationen erlebt, in denen ich nicht adäquat reagieren konnte. Ich erinnere mich an Momente in tantrischen Settings, als mein Gegenüber meine Grenze so schnell überschritten hat, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Ich war so perplex, was der andere gerade macht, dass ich nicht klar Nein sagen konnte, sondern nur auf Körperebene versucht habe zu signalisieren, was ich nicht möchte. Die meisten haben das verstanden, aber einer eben nicht. Inzwischen weiß ich, dass ich eine typische Trauma-Reaktion erlebt habe („fight, flight or freeze“, also bei mir das Einfrieren), und lerne seitdem, besser damit umzugehen. Was mir am meisten geholfen hat, war, das Ereignis zu thematisieren und auszusprechen. So habe ich das Vertrauen entwickelt, dass meine potenziellen Gegenüber in so einem geschützten Rahmen feinfühlig genug sind, meine Grenzen wahrzunehmen. Und wenn nicht, kann ich inzwischen deutlicher werden.

Wie gehe ich als Frau mit einem „bedürftigen“ Mann um?

Was ist, wenn mein Gegenüber mehr will als ich? Ich finde ihn sympathisch, will aber nicht alle seine Wünsche erfüllen … Manchmal ist das einfach, aber manchmal auch schwer, vor allem, wenn ich die Bedürftigkeit des anderen spüre und ihn nicht enttäuschen will. Wie kann ich einen Kontakt auf Augenhöhe herstellen? Inwieweit muss ich mich um jemanden kümmern, auf den ich mich einlasse? Ist das überhaupt ein Frauenthema oder geht das Männern auch so? Wir finden das ein sehr spannendes Thema, das sich näher zu erforschen lohnt.

Wie gehe ich mit Ablehnung um?

Es gibt noch mehr Risiken bei so einer Veranstaltung. Ausgerechnet der Mensch, der mir am besten gefällt, interessiert sich für eine andere und hat bei ihr „Erfolg“. Das kann ganz schön schmerzhaft sein und ist sicherlich kein Thema, das nur Frauen betrifft. Wie ist es, wenn uns eine Erfahrung so nah geht, so nah am Kern unserer eigenen Identität kratzt, dass wir uns höchst verletzlich, vielleicht sogar zu verletzlich fühlen? Es braucht Mut, sich zu öffnen und zu zeigen, und oft wird der Mut belohnt, wenn unerwartet Neues entsteht. Aber ebenso wichtig kann es sein, sich zu schützen. Das ist ein individuelles Abwägen und dann auch einfach mal wieder Ausprobieren.

Verletzungen im Bereich von Erotik und Sexualität

Eine durchschnittliche Frau ist einem durchschnittlichen Mann kräftemäßig unterlegen – um es mal sehr einfach auszudrücken. Die meisten Männer, die ich kenne, halten das nicht wirklich für ein Problem, aber vielen Frauen ist dieses rein körperliche Gefälle durchaus bewusst und es schwingt in Begegnungen mit. Vielleicht geht es aber auch weniger um den körperlichen Unterschied, sondern um Jahrtausende Patriarchat, die uns allen in den Knochen stecken und die Männer anders fühlen lassen als Frauen? Die Sehnsucht nach Begegnungen, die beide Geschlechter beglücken, haben wir wahrscheinlich gemeinsam. Und genau dieser Sehnsucht möchten wir Raum geben, deswegen bieten wir solche Events an.

Das Thema hat sicher noch viele weitere Facetten. Wir freuen uns über Feedback zu unseren Überlegungen. Und natürlich auch, dich mal bei „Abenteuer Eros“ zu begrüßen.

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Über Saleem Matthias Riek

Saleem Matthias Riek ist Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualtherapie, Tantralehrer, Diplom-Sozialpädagoge und lebt bei Freiburg im Breisgau. Saleem ist Autor mehrerer Bücher rund um Lust und Liebe, Tantra und Spiritualität. Bisher erschienen sind "Herzenslust" (auch als Hörbuch), "Leben, Lieben und Nicht Wissen", "Herzensfeuer", "Lustvoll Mann sein" und "Mysterien des Lebens". Weitere Bücher sind in Vorbereitung, u.a. eine Romantrilogie.
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1 Antwort zu Frauen und Männer – wie kommen sie zusammen?

  1. Felix Ihlefeldt sagt:

    Die Frage, ob es Männern in erster Linie nur um Sex ginge, ist nun aber nicht wirklich beantwortet. Ich glaube, dass nur anscheinend so ist, weil Männer oft das Bedürfnis nach Liebe nicht anders ausrücken können, als über die Suche nach sexuellem Kontakt. Ein Mangel an Sex führt dann zu einer Bedürftigkeit, die von Frauen gespürt, vom Mann selbst so aber gar nicht unbedingt wahrgenommen, evtl. sogar abgestritten wird, gleichwohl – ähnlich auf die Kommunikationsfähigkeit wirkt wie 1 Promille Alkohol am Steuer auf die Verkehrssicherheit.
    Meike Stoverock vertritt in ihrem Buch „Female Choice“ die These, dass kein Recht auf Sex für alle Männer gäbe und Frauen hauptsächlich Alpha-Männer suchten. Das begründet sie biologistisch. So weit ich das ebook (dass sich leider nicht mehr öffnen lässt) gelesen habe, empfiehlt sie für den „Rest“ der Männer aus Gründen der Gewaltprävention Bordelle. Leider bleibt dann das Bedürfnis nach Liebe unbeachtet…

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