Die Dunstglocke des Schweigens

Sexueller Missbrauch, in Internaten und insbesondere in der katholischen Kirche, ist derzeit allerorten in den Schlagzeilen. So wichtig es ist, dass diese Vorgänge ans Licht kommen, so fehlt mir in den Kommentaren besonders eines: was ist denn ein für ein Kind wirklich unterstützender Umgang mit der Sexualität? Aus lauter Verunsicherung, bloß nicht missbräuchlich zu handeln, wird manches zum Tabu und eine neue Dunstglocke des Schweigens breitet sich aus. Wenn das so weiter geht, dann werden bald Kinder wieder in Unterwäsche unter die Dusche geschickt, so wie es allen Ernstes in einem katholischen Kinderheim in Düsseldorf noch Ende der 70er Jahre vorkam, als ich dort Zivildienst ableistete.

Den Missbrauch zu thematisieren ist nur ein erster Schritt. Bleibt es dabei, wird die Dunstglocke des Schweigens wieder genau die Brutstätte erschaffen, die den Missbrauch begünstigt. Die eigenen Unsicherheiten im Umgang mit Sexualität zu thematisieren und besonders die naheliegenden Unsicherheiten darüber, was ein förderliches, respektvolles Umfeld für die gesundes Sexualentwicklung eines Jungen oder eines Mädchen ausmacht und was nicht, das braucht vielleicht noch mehr Mut als jetzt endlich den Tätern die Schutz des Schweigens zu entziehen. Ich jedenfalls habe als Kind am meisten darunter gelitten, dass über Sex höchstens in Andeutungen kommuniziert wurde.

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Herzlich

Saleem Matthias Riek

Über Saleem Matthias Riek

Saleem Matthias Riek ist Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualtherapie, Tantralehrer, Diplom-Sozialpädagoge und lebt bei Freiburg im Breisgau. Saleem ist Autor mehrerer Bücher rund um Lust und Liebe, Tantra und Spiritualität. Bisher erschienen sind "Herzenslust" (auch als Hörbuch), "Leben, Lieben und Nicht Wissen", "Herzensfeuer", "Lustvoll Mann sein" und "Mysterien des Lebens". Weitere Bücher sind in Vorbereitung, u.a. eine Romantrilogie.
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3 Antworten zu Die Dunstglocke des Schweigens

  1. Kasriel sagt:

    Hallo Saleem

    nun recht hast du wieder. Nun keinem betroffenen Menschen hat, das sogenannte Anprangern bisher wirklich auf Dauer genützt. Viele Opfer stehen im nachhinnein Immer noch als Opfer da. Es ist schon eher Erschreckend, das auch gerade die die Aufklärungsarbeit leisten, gern vieles im Dunkeln halten wollen. Wer das Schweigen bringt, wird nicht selten zum Verräter beider Seiten. Solange wir immer noch nicht begreifen, das der Körper das Geschenk ist, leben Bereifbar, ja erfahrbar zu machen, Werden wir ihn Verteufeln und ihm nicht die Auffwartung geben die er verdient. Somit geben Kranke Menschen ihr krankes Gefühl und ihren Hass auf sich weiter. Die Kinder sind die Leittragenden, sie haben ein Recht darauf, die Lust an sich selber zu erfühlen und zu erleben, da haben Erwachsene nichts drin zu suchen. Und das Es bei Vergewaltigung bei Kinder Missbrauch heist, zeigt schlicht, den kranken Kopf der Menschen. In beiden Fällen ist es Grenzverletzendes Verhalten egal ob Kind oder Erwachsener.
    grüße dich
    der kasriel

  2. Christine sagt:

    Hallo Kasriel,
    zu einigem, was Du schreibst, kann ich mein „JA“ hinten dran setzen. Und ich glaube, genau DIE wesentliche Sache schiebst Du ins Dunkel, wenn Du schreibst: die Erwachsenen haben nichts zu suchen auf der Lust-Entdeckungsreise der Kinder.
    Das kann so gar nicht sein, das wäre fatal, finde ich! Genau so bin ich doch aufgewachsen: ganz viel Aufmerksamkeit in Sache Leistung und „sei ein nettes Mädchen“ habe ich erhalten. Bezüglich meiner Lust herrschte – z.t. sogar verordnetes – Schweigen.
    Ich arbeite mit Kindern, welche sich im Übergangsstadium zur Pubertät befinden und mit Jugendlichen. Die wollen/verlangen ein Einmischen, die wollen meine erwachsene Stimme hören zu Sex, Beziehung, Lust, Risikofreude, Nein-sagen können. Viele wünschten sich auch Berührung und „einfachen“ Körperkontakt, sogar eine „AG Massage“ wurde schon als Wunsch genannt, den ich aber aus gesellschaftlicher Norm und aus meinem Sicherheitsbedürfnis bzgl. Stellung und Status, sowie aus meiner Unsicherheit heraus, welcher Umgang hier Sinn macht (oder sinnlich ist), meide.
    Wir Erwachse sind eben aufgerufen, hier einen gesunden bewussten Umgang zu finden und zu etablieren.
    Das Thema „Sex, Sinnlichkeit und Lust“ ist im Kontext Erwachsene und Kinder so heikel, weil u.a. auch die Macht mit ins Spiel kommt.
    Wagen wir es, uns dem zu stellen?
    Herzliche Grüße
    Christine

  3. Thomas Noran'Dandras sagt:

    Kindern kann man körperlich nur begegnen finde ich, indem man selbst kindlich wird und damit die Neugier des Kindes und seines eigenen inneren Kindes spürt. Dabei auch seine eigenen Grenzen fühlt und diese beobachtet und dem Kind kommuniziert. Denn es lernt, es entdeckt. Mit Freude. Mit viel Liebe. Und Vertrauen. Und so sollte man dem Kind auch begegnen. Es ist etwas unschuldiges. Sich davor zu verneigen, sich davon tief in der Seele berühren zu lassen und es zu fühlen, wie es ist, das ist etwas was das Herz heilt.

    Das eigentliche Körperliche ist nur die Oberfläche und das Kind ist noch fähig die Verbindung zu Allem zu spüren.

    Die Wunden, die bei der Mißachtung dieser Unschuld entstehen, können wir nur heilen, indem wir dort viel Liebe und Licht hinschicken und unsere eigene Unschuld annehmen.

    Namaste

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